Schmidts Bewährung
Scheidungsanwälten Bekanntschaft gemacht hatte, die in den Boulevardblättern gefeiert wurden.
O’Henry’s, sagte Schmidt. Sehr gern. Morgen um ein Uhr.
Er sah keinen Grund mehr, diese Hamburger-Station zu meiden, die inzwischen dazu übergegangen war, auch Hummer und Hühnersalat auf Pita mit einer Beilage von gewürfelten Avocados zu servieren. Schon gar nicht, wenn er ohne Carrie hinging, weil er dort mit dem berühmten Mr. Blackman verabredet war. Und selbst wenn sie einwilligte, mit ihm mitzukommen, war der Fall inzwischen de facto verjährt. Nur der Eigentümer konnte sich noch an Carrie erinnern – und an seine Nummern mit ihr, falls man Bryan glauben wollte – sowie der Barmann Pete, der insoweit als unschuldig anzusehen war. Die Kellner, eine Handvoll Möchtegern-Schauspieler und -schauspielerinnen, ohne Zeichen von Talent und mit allzu vertraulichem Benehmen, waren praktisch alle neu, alle erst nach Carries Zeit gekommen. Meist Mischlinge wie Carrie. Ah, die Wunde kauterisieren, die Vergangenheit auslöschen: Wie sie sich auf den leeren Stuhl an seinem Tisch stützte, wenn sie ihm das Essen brachte, wie sie so leise und heiser sprach, daß er den ganzen Körper anspannte, um sie hören zu können, wie sie manchmal mit der Hand seine Schulter streifte, wenn sie vorbeilief, wie diese gertenschlanke mutige Kleine aus den Slums mit dem blassen Gesicht sich von ihm lieben ließ.
Als er sich auf den Weg zur Verabredung mit Gil machte, war die Kleine schon unterwegs zu ihrem Kunstkurs, saß hinter dem Steuer des Wagens und, darauf würde er wetten, raste gefährlich schnell über die Nebenstraßen. Zeichnen nach dem Modell! Er hätte sie mit geschlossenen Augen zeichnen können – jede Linie, jeden Schatten, jede Einbuchtung. Dies waren die letzten Unterrichtswochen, das Semester ging zu Ende. Die Weihnachtsferien machten ihr Kopfzerbrechen, das war klar. Schmidt hatte Mike Mansours Einladung, die Ferien mit ihm in seinem dominikanischen Paradies zu verbringen, sofort angenommen. Sie hatte gesagt, daß sie sich dies wünschte, aber jetzt als Schmidts Freundin dorthin zu fahren, als hätte sich nichts geändert, während Jason das Gepäck vom Rollfeld zum Auto schleppte, zum Haus am Strand fuhr und wieder Gepäck schleppte, diesmal ins Schlafzimmer und dann den Herrn und Meister samt seinen Gästen bewachte, solange sie sich im Wasser tummelten oder an der Festtafel schlemmten, das alles war hart, ja demütigend für Carrie. Vor Jasons Augen hinter der reflektierenden Sonnenbrille würden Bilder auftauchen, die ihm zeigten, was Carrie und Schmidt im gemeinsamen Schlafzimmer treiben mochten – in Wahrheit nicht dasgeringste, zwischen ihnen liegt ein Schwert. Und dann die amüsierten Blicke von Mike Mansour! Wieviel weiß er wirklich, und wieviel wird er einem oder zwei Gästen seiner Wahl anvertrauen, und wie schnell wird dann die Geschichte die Runde machen? Das ist auch für Schmidt ein Problem, aber nur ein kleines, nicht mehr als ein Nadelstich. Aber nachdem er das Für und Wider gegeneinander abgewogen hatte, sagte er zu ihr: Wir wollen Mike Bescheid sagen, daß wir nicht kommen. Das stört weder ihn noch seine Pläne; Hauspartys dieser Art sind wie ein Picknick; man zählt die Gäste nicht, wenn das Haus so groß ist. Fahren wir lieber nach Paris und dann nach Ägypten, wenn das noch möglich ist; und wenn nicht, nach Marokko, sehen uns die Mamounia an oder Fez, oder beides; das überlasse ich dir. Aber die Kleine möchte so gern zu Mike Mansour, weil sie noch nie in so einem Haus war, noch nie in einem Privatflugzeug geflogen, noch nie von einer Luxusjacht aus in ein Meer aus flüssigem Blau und Gold getaucht ist. Und vor allem wahrscheinlich, weil Jason da sein dürfte. Sie kann nicht genug von ihm bekommen, von seinem vollkommen geformten Kopf und seinem Gesicht mit dem blonden Haarschopf, den blauen Augen, der Stupsnase, den weißen Zähnen und, ob man es glaubt oder nicht, dem Grübchen im Kinn, und diese Herrlichkeiten sind noch gar nichts gegen das, was weiter unten folgt: das Muskelspiel der Schultern, die Brustmuskeln eines Diskuswerfers, mein Gott, der Bizeps. Natürlich könnte man sich noch über ganz andere Qualitäten auslassen, die Carrie bis ins einzelne kennt und Schmidt lieber nicht so genau wissen will. Na gut, sagte er zu ihr, wenn du die Reise nicht aufgeben willst, dann fahren wir. Die interessanteste Frage mag sein: Was denkt, was will Jason? Daß er viel Kraft und wenig Worte
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