Schmidts Bewährung
im vierten Akt und spielte sie wieder und wieder ab, obwohl er wußte, daß sie eigentlich nicht auf ihn zutraf: Selbst wenn Carrie eine Hexe war und ihn verzaubert hatte, war er doch nicht genarrt, und ihm mußte niemand die Augen öffnen. Die Arie war nur eine Möglichkeit, Dampf abzulassen, denn wie Figaro – und Almaviva! – tat auch er sich selbst leid. Basta! Er goß sich einen Kognak ein und spielte mit dem Gedanken, noch einen zu nehmen, hörte dann aber die Haustür zuschlagen. Carrie rumorte in der Diele, ging die Treppe hinauf, kam wieder herunter. Sie hatte sich umgezogen und trug nun den schwarzen Seidenpyjama, den er ihr zum Beginn des neuen Semesters geschenkt hatte. Ihre Füße waren nackt. Sie setzte sich auf das ChesterfieldSofa, seinem Sessel schräg gegenüber.
Hey, ich war in der Badewanne.
Womöglich nur deshalb, weil es draußen kalt war, dachte Schmidt.
Ich bin ganz sauber.
Die erste Hypothese wackelte, war aber nicht notwendig widerlegt.
Schmidtie, willst du mit mir reden?
Ja, ich muß mich nur erst wach rütteln. Oder so ähnlich. Ich glaube, aus der Unterhaltung mit Jason bin ich nicht schlau geworden. Was habt ihr beiden eigentlich vor, du und Jason? Das habe ich nicht begriffen. Ich hätte erwartet, daß er irgendeine Vorstellung hat – wie ihr zusammenleben könnt, verheiratet oder nicht. Egal, jedenfalls eine Idee von eurem Leben als Paar. Davon habe ich nichts gehört.
Das ist echt schwer für ihn. Weißt du, als er mit dem Polizeidienst Schluß gemacht hat, war er in der Kriminalabteilung oder so – ihre Stimme wurde hoch, weil sie weder wußte, wovon sie redete, noch ob sie das Richtige sagte. Gekündigt hat er, weil Mike Mansour ihm so viel zahlt. Sehr viel, vielleicht doppelt soviel, wie er vorher verdient hat. Aber, das hat er ja gesagt, Mike könnte ihn feuern. Also, was soll er machen?
Und du, was meinst du?
Habe ich doch gesagt, Schmidtie, ich weiß nicht. Es ist eben so. Ich möchte mit ihm zusammensein, aber nicht unter Druck. Es ist verrückt.
Kann es sein, daß du erst herausfinden willst, ob es für dich wirklich in Ordnung ist, mit ihm zu leben?
Oh, es sei sehr in Ordnung, erklärte sie, aber sie könne fast nie bei ihm sein, nur wenn er dienstfrei habe, und dann müßten sie immer einen Ort suchen, wo sie allein sein könnten. Daraufhin rutschte sie auf dem Sofa herum, als würde sie von einem gewaltigen Juckreiz geplagt. Schmidt dämmerte die Erkenntnis, daß er sich im Irrtum befand, wenn er glaubte, er brauche einem Bewerber um die Hand seiner kindlichen Geliebten nur ja zu sagen. In diesem Fall mußte Mr. Schmidt sich der Frage stellen: Was hast eigentlich du vor? Die Antwort darauf wußte Schmidt, meinte er.
Er sagte: Carrie, ich habe dir erklärt, daß du bei mir bleiben kannst. Als ein Familienmitglied. Daran wird sich nichts ändern. Aber wenn du mit Jason schläfst, können wir beide nicht miteinander schlafen. Ich weiß, vor langer Zeit habe ich dir einmal gesagt, ich würde nicht von dir verlangen, daß du mir treu bist, aber das war, bevor ichdich so sehr liebte, bevor wir zusammenlebten. Also, wenn du mit Jason zusammensein willst, können wir, du und ich, sehr gute Freunde bleiben; wie gesagt, du gehörst dann zu meiner Familie. Oder wenn das, was du mit Jason hattest, vorbei ist, können wir einfach wieder zusammenleben wie vorher auch. Das ist deine Entscheidung, Kleines.
Sie kam zu ihm, setzte sich auf die Sessellehne und legte die Arme um seinen Hals. Das mit Jason ist nicht vorbei. Aber ich liebe dich, Schmidtie. Ich habe doch gesagt, ich will hier bleiben. So lange, wie du mich läßt. Hey, kann ich noch zu dir ins Bett? Wenn wir die Hosen anlassen? Echt?
XII
Gil Blackman kam mit dem Flugzeug aus Los Angeles im Kennedy Airport an, stieg in sein Auto und telefonierte auf der Stelle mit Schmidt.
Ich bin wieder da, sagte er, gerade gelandet. Wie wär’s mit Mittagessen morgen in diesem Lokal in Bridgehampton, wie heißt es noch? Ich bleibe über Nacht in der Stadt, fahre aber gleich morgen früh heraus. Wir müssen reden.
In der jüngeren Vergangenheit hatte es keinen einzigen Präzedenzfall für ein solch dringendes Bedürfnis des großen Filmemachers nach seinem kauzigen alten CollegeMitbewohner gegeben. Die Zeiten, da Gil ihn tatsächlich gebraucht hatte, lagen weit zurück; zum Beispiel hatte er Schmidt damals um Hilfe gebeten, als er entschlossen war, sich von seiner ersten Frau zu trennen, und noch nicht mit den
Weitere Kostenlose Bücher