Schmidts Einsicht
knappe, aber, wie er hoffte, gut gelungene Antworten an geschiedene und alleinstehende weibliche Personen zu schicken – Witwen ließ er aus –, die Musik, Reisen, italienisches und französisches Essen liebten und sich für finanziell unabhängige Herren zwischen zweiundsechzig und zweiundsiebzig interessierten. Diese Altersspanne, stellte er fest, erfreute sich bei den oben erwähnten weiblichen Personen größter Beliebtheit. Er schickte ein Porträtfoto mit, das für das Jahrbuch der Stiftung aufgenommen worden war und ihn weniger bieder und abschreckend aussehen ließ als alle anderen, die er besaß. Nur drei Pfeile trafen ins Ziel. Die Bilder, die er mit den Antworten erhielt, regten ihn jedoch nicht zur Kontaktaufnahme an. Etwas entmutigt, las er weiter, und eines Tages stieß er auf eine Anzeige in einem Genre, das er schon vorher gesehen und wenig vertrauenswürdig gefunden hatte, dessen Aroma ihn aber diesmal anzog. Die Verfasserin behauptete, verheiratet und fünfzig Jahre alt zu sein, in Bedford Hills zu wohnen – dem Nonplusultra der Westchester-Achtbarkeit –, und wünschte Nachmittagsbegegnungen mit einem äquivalenten Herrn in Manhattan. Diskretion zugesichert. Wie sollte er »äquivalenter Herr« verstehen? Schmidt nutzte das Verfahren, das ihn Paul Freund gelehrt hatte, als die Harvard Law School noch ihres Namens würdig gewesen war (wir interpretieren eine Verfassung, meine Herren, wir müssen das Problem betrachten, das hier behandelt wird, und vernünftige Lösungen finden). Recht bald kam er zu einer nicht ungünstigen Lesart. Es war nicht anzunehmen, daß die Dameauf einem verheirateten Mann bestand, es sei denn, ihr lag an der Würze eines doppelten Ehebruchs, oder sie hatte beschlossen, sich nicht auf jemanden einzulassen, der eine Dauerbeziehung suchte. Selbst wenn sie diese Desiderata im Sinn hatte, ließen sich ihre Bedenken durch ein feinfühliges Plädoyer zerstreuen. Blieb das Problem des Alters, aber daß sie Kandidaten, die nicht behaupten konnten, sie seien im gleichen Alter wie sie oder jünger, von vornherein ablehnen würde, hielt er für unwahrscheinlich. Da die Biologie ist, was sie ist, würden fünfzigjährige abenteuerlustige Männer mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich jüngere Damen bevorzugen. Am Ende beschloß er, sein Glück nicht herauszufordern, indem er verriet, daß er Witwer war. Er schrieb der Dame, schickte das gleiche Foto wie in der vorausgegangenen Korrespondenz mit anderen NYRB -Leserinnen, bekannte sein Alter, aber auch seine ungebrochene Vitalität. Nebenbei ließ er sie wissen, daß er in Manhattan allein und ohne Anhang lebe.
Das Farbfoto, das er postwendend erhielt, zeigte die Dame in einer durchsichtigen Bluse, ihre Brüste so klein, daß sie in seine Hand paßten, die Spitzen mit Rouge betont. Sie hatte große, schwarze Augen, eine lange, leicht gekrümmte Nase, einen breiten Mund und schwarze Haare. Er schloß daraus, daß sie italienischer Herkunft sei. Sie vergeudete keine Zeit, sondern schlug eine Verabredung für die kommende Woche an einem Tag und einem Treffpunkt nach seiner Wahl in der Nähe seiner Wohnung vor, nur nicht zu spät am Nachmittag. Sie wolle den Zug um einundzwanzig Uhr zweiundzwanzig nach Katonah erreichen. Schmidt überlegte hin und her und schlug dann das Carlyle am Dienstag um fünf vor – warum sich vom Zugfahrplan unter Zeitdruck setzen lassen? Sie war besser als erwartet: nicht nur hübsche Brüste, sondern auch eine gute Figur und ansehnliche Beine, und, was ihm sofortauffiel, sie war reinlich. Das hatte ihm Sorgen gemacht. Er hatte geplant, sie zu einem gemeinsamen Bad oder einer Dusche aufzufordern, bevor sie zur Sache kamen – um so besser, daß sie bereits sauber war. Nach ihrer Handtasche zu urteilen, hatte sie eingepackt, was zum Auffrischen ihres Make-up nötig war, Mascara und alles. Vera hieß sie, und wieder verlor sie keine Zeit. Sie trank ihren Scotch mit Eis und sagte, wie Mr. Goodbar sehen Sie nicht aus, gehen wir.
Vom Waschen hielt sie auch viel, Zahnbürste und Zahnpasta hatte sie mitgebracht, ein Bad war ihr lieber als eine Dusche, und als sie in der Wanne saß, forderte sie ihn auf, zu ihr zu kommen, wusch ihm seine T & T (Taktstock und Testikel, erklärte sie ihm) und lud ihn ein, ihr den gleichen Dienst zu erweisen. Ein Vorspiel gab es nicht. Sie legte sich hin, hob die Knie an, sagte deutlich, aber freundlich, Leck mich, und kam schließlich mit ziemlichem Lärm. Er hatte gedacht, sie würde
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