Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
sich revanchieren, aber sie schüttelte den Kopf und sagte, erst vögeln wir. Wenn ich es dir mache, hältst du keine sechzig Sekunden durch. Später blase ich dir einen, daß du von den Toten auferstehst! Sie hatte recht. Als er danach ein Abendessen in einer Trattoria an der Third Avenue vorschlug, warf sie einen Blick auf den Wecker – es war nach acht – und fragte, ob er irgendwas Eßbares im Kühlschrank habe. Nur ein Stück Käse und einen Scotch. Gut, sie würde eine Kleinigkeit essen und dann in ihren Zug springen. Willst du dich noch mal mit mir treffen? fragte sie. Du bist O.K. Gerade verdreht genug. Wenn ich dich wiedersehe und du noch nett bist, machen wir’s anal.
    Im Lauf der Jahre – an ihrem sechzigsten Geburtstag verabschiedete sie sich von ihm, da sie und ihr Ehemann in der folgenden Woche nach Fort Lauderdale ziehen würden – erfuhr er sehr wenig über sie. Ihr Ehemann war Podologe mit einer Praxis in den wohlhabenden Vororten, verdiente genug, um das Haus in Bedford Hills und ein zweites an einem Kanal in Florida bezahlen zu können, finanzierte auch die Ausbildung an der Hotelschule von Cornell für seinen Sohn und das Studium seiner Tochter am Iona College – sie ist ein Trottel, erklärte Vera, sie schlägt ihm nach. Schmidt nahm an, daß mit »ihm« der Ehemann gemeint war. Sie sagte nie von sich aus, und er fragte nie nach, warum sie seine wöchentlichen Sexdienstleistungen wünschte und sich beschwerte, wenn er außer Landes war, ihm aber versicherte, daß sie ihn während seiner Abwesenheit nicht durch einen anderen ersetzt habe. Es war eine Abmachung, die er besser verstanden hätte, wenn sie Geld verlangt oder Geschenke erwartet hätte, aber nein, als er ihr seine Dankbarkeit in Form eines Hermès-Seidentuchs mit einem griechischen Motiv zeigen wollte, weil sie sich zweimal freiwillig auf »anal« eingelassen hatte, schob sie die Tragetasche von Hermès mit dem Seidentuch heiter beiseite und sagte, hör mal, das wird deiner Frau gefallen. Heb’s für sie auf. Los, laß uns ficken! Wir verlieren nur Zeit.
    Fleischlichkeit in dieser freundlichen, unverblümten und intensiven Form war ihm neu, aber er lernte, sich darauf zu freuen, so wie er sich in der Zeit, bevor Mary ihn gezwungen hatte, aus dem Bridgehampton Country Club auszutreten, weil dort keine jüdischen Mitglieder geduldet waren, jeden Samstag- und Sonntagmorgen auf die Einzelspiele mit dem ortsansässigen Chirurgen gefreut hatte, der ihn häufiger schlug als umgekehrt und ihn damit dazu trieb, besser zu spielen, als er es gegen einen schwächeren Partner vermocht hätte. Ein absurdes Detail: Er schätzte Veras Pünktlichkeit und die zuverlässige Sachlichkeit, mit der sie, hatte sie sich bereit erklärt, hinterher mit ihm Essen zu gehen, immer das gleiche Menü bestellte: InsalataCaprese, Kalbskotelett Milanese und zwei Cappuccino. Mit dem Wein war es das gleiche: Unfehlbar trank sie ihre Hälfte der Flasche Wein und hielt an ihrer Vorliebe für Piemonteser Weine fest. Erlaubte er sich eine persönliche Frage, die nichts mit dem zu tun hatte, was gerade im Bett vor sich ging, wurde er zurückgewiesen. Als er zum Beispiel fragte, ob sie aus einer italienischen Familie komme, sagte sie: Das geht dich nichts an.
    Wie recht sie hatte. Nachdem Vera in den Ruhestand gegangen war, las Schmidt wieder die persönlichen Anzeigen in der NYRB , aber auf das Abenteuer der Kontaktaufnahme mit einer Dame, die Gesellschaft suchte, ließ er sich nie wieder ein. Er hatte einmal ein so ausgeprägtes Glück gehabt; es war besser, aufzuhören, solange man noch etwas voraus hatte. Außerdem hatte der Hunger sich endlich gelegt, der ihn so ruhelos gemacht hatte, daß er bereit gewesen war, sein Repertoire abgenutzter, selten variierter, meist grotesker Bewegungen mit jeder Frau zu vollziehen, deren Körper ihn nicht anekelte. Hatte Vera ihn gesättigt, ein Zustand, der sich als vorübergehend erweisen würde? Oder war er gealtert? Schwierig einzuschätzen; während seiner Reisen zu den Life Centers erschien es unvermeidlich, daß die eine oder andere ausreichend attraktive Frau, die ein Forschungsprojekt hatte, an einer mehr oder weniger wichtigen Stelle im Center arbeitete oder Professorin mit Lehrauftrag von der Stiftung war, ihm unmißverständlich signalisierte, daß sie verfügbar sei. In solchen Fällen ging er auf die Einladung ein und tat, was erwartet wurde. Seit seiner Eskapade mit Danuta hatte Schmidt allerdings Fortschritte im

Weitere Kostenlose Bücher