Schmidts Einsicht
Begeisterung sei.
So weit, so gut, sagte er. Aber ich möchte euch klarmachen, daß meine Frage nicht ganz blöd war. Was ich vorhabe, wird von Zeit zu Zeit – zum Beispiel, wenn ihr eine Schule oder ein Ferienlager aussucht oder wenn zwischen einem Internat und einer Schule am Ort zu entscheiden ist, oder ein College zur Debatte steht – dazu führen, daß ich meine große Nase in eure Angelegenheiten stecke.
Er konnte es nicht lassen, er mußte dem kleinen Albert zuzwinkern.
Wenn euch das wirklich recht ist, fuhr er fort, macht ihr mich damit sehr glücklich. Ich bin ein einsamer alter Mann. Ich brauche das Gefühl, daß ich mich nützlich machen kann.
Diese Worte waren so redlich und ehrlich, wie Schmidt es vermochte. Aber ein auf seiner linken Schulter hockendes Teufelchen mit grünem Hut und einem Gesichtserker, der Ähnlichkeit mit Schmidts eigenem hatte, sah die Sache zynisch. Glückwunsch, Freundchen, flüsterte er Schmidt ins Ohr. Schlauer Schachzug, daß du deine Freigebigkeit auf die Geschwister ausdehnst. Davon hattest du mir gar nichts gesagt. Das wird Klein Albert einigen Kummer ersparen. Aber paß trotzdem gut auf. Vergiß nicht: Unseren Wohltätern verzeihen wir nie, und keine gute Tat bleibt ungestraft. Laß viel Luft zwischen dir und dieser kleinen Familie. Tritt ihnen nicht zu nah.
Wenn Schmidt auf Reisen war, verwendete er viel Zeit auf den Einkauf hübscher und gut ausgedachter Holzspielzeuge für den kleinen Albert, und aus diesem Grund mußte er einen leeren Koffer mitnehmen, der sich auf seinen Inspektionstouren von Hauptstadt zu Hauptstadt allmählich füllte. Spielzeugmacher in Mittel- und Osteuropa schnitzten noch und fügten Karren und Wagen noch ohne Nägel und Klebstoff zusammen. Die Suche setzte sich fort, wenn er in Bridgehampton oder New York war. Er war ein eifriger Leser der Kataloge des Spielzeugkaufhauses FAO Schwarz geworden, die ihn mehr und mehr enttäuschten, und da er zunehmend Zeit an seinem Computerbildschirm verbrachte, wurde er zum Stammkunden von Onlineverkäufen wie auch von eBay, seiner Quelle für alte Spielzeuge in neuwertigem Zustand. Das Kind, wie er es bei sich nannte, schien ihn gern zu haben, so wie es vermutlich Mr. und Mrs. Gorchuk gern haben würde, Carries ungreifbare, in Canarsie wohnende Eltern – Schmidt hatte sie noch nie gesehen, und soweit er wußte, hatten sie noch keinen Fuß in Carries und Jasons Haus in East Hampton gesetzt, und falls das so war, besuchte Carrie sie vielleicht mit Albert in Canarsie. Schmidt fragte nicht nach, da er aus der Zeit, als er mit Carrie zusammenlebte, noch wußte, daß Carrie unterschiedliche Teile ihres Lebens gern streng voneinander getrennt hielt. Oder so wie Albert Jasons Eltern gern gehabt hätte, wenn sie nicht ausgerechnet in Nova Scotia, sondern irgendwo in der Nähe von Long Island gewohnt hätten. Daran zeige sich immer wieder, wie gut es ist, Geld zu haben, dachte er: Wenn deine Kinder dich sehen möchten, kannst du in dein Auto oder einen Zug oder ein Flugzeug springen und zu ihnen reisen. Oder umgekehrt. Du schickst ihnen Fahrkarten oder einen Scheck. Und wie beschissen es ist, kein oder zu wenig Geld zu haben. Nein, es paßte Schmidt sehr, wie einGroßvater behandelt zu werden oder jedenfalls an diese Möglichkeit zu glauben. Hatte er nicht allein darauf gehofft, als er es noch für selbstverständlich halten konnte, daß Charlotte eines Tages Kinder haben würde? Er sorgte auch nicht nur als virtueller Großvater dafür, daß Albert immer mit Lastern, Puzzles und Spielen eingedeckt war. Schmidt hatte außerdem Verantwortung für die religiöse und geistige Erziehung des Kindes übernommen. Mit ihm am Taufbecken hatte Jasons ältere, wie die übrige Familie in Nova Scotia wohnende Schwester gestanden und nicht, wie er befürchtet hatte, eine Kellnerin und frühere Kollegin Carries im O’Henry’s. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Schmidts demokratische Prinzipien waren intakt. Er mochte diese ganz jungen Frauen, ihre einladenden Busen und den gelegentlich wahrnehmbaren Hauch von kaum übertöntem Körpergeruch, wußte ihre Vornamen und hinterließ großzügige, manchmal extravagant großzügige Trinkgelder. Aber seit seine Verbindung mit Carrie sich zu feinster bürgerlicher Achtbarkeit gemausert hatte, zog er es vor, den Kellnerinnen ausschließlich in ihrer beruflichen Umgebung zu begegnen.
Den Rat des kleinen Burschen mit der großen Nase und dem grünen Hut hatte Schmidt sich zu Herzen
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