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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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nicht für publizistische Eilverfahren. Wir haben Gesetze, mit harten Strafen für schwere Verbrechen. Lassen Sie Recht und Gesetz ihren Lauf. Schüren Sie keine Stimmung, sondern stärken Sie das Vertrauen in die rechtsstaatlichen Regeln. Denn über den Gesetzen steht nur der liebe Gott - möglicherweise.
    Schreiben Sie stattdessen lieber öfter an Knut und die Pinguine, denen das Eis wegschmilzt, oder an Herrn Schäuble, der Journalisten ans Zeugnisverweigerungsrecht will und noch ganz andere Dinge plant. Erheben Sie Einspruch, wo Recht und Verfassung verbogen werden, wo gemeinsame Lebensgrundlagen in Gefahr sind. Hier braucht es viele Briefe der Vernunft und Verantwortung.
     
    Herzliche Grüße
    Ihre Claudia Roth
     
     
    DIE AUTORIN
    Claudia Roth (geb. 1955 in Ulm) ist Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Mitglied des Bundestages. Bevor sie 1985 Pressesprecherin der Grünen im Bundestag wurde, managte sie die Rockband Ton Steine Scherben. Von 1989 bis 1998 war Roth Europaparlamentarierin, 1994 wurde sie Fraktionsvorsitzende. Seit 1998 ist sie Mitglied des Bundestages. Sie leitete dort den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe und war Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt.

DIETER ALTHAUS
    Unbestechlich, leidenschaftlich - Hans-Ulrich Jörges
    Im damals etwa 8 000 Seelen zählenden thüringischen Städtchen Bad Salzungen kommt Hans-Ulrich Jörges am 8. Dezember 1951 als Kind der Eheleute Irmgard und Hans Jörges zur Welt. Der Vater war Steuerprüfer, die Mutter Hausfrau. Im Jahr darauf bildeten die DDR-Machthaber aus dem Land Thüringen die drei Bezirke Gera, Erfurt und Suhl. In Letzterem befindet sich Bad Salzungen. Trotz der Erschwernisse nach dem Zweiten Weltkrieg und der zunehmenden Verfestigung der deutschen Teilung verlebt Jörges eine unbeschwerte Kindheit.
    Vor seinem sechsten Geburtstag siedelt die Familie 1957 in die Bundesrepublik Deutschland um, noch rechtzeitig, bevor die DDR im gleichen Jahr das Verlassen des Territoriums als Republikflucht bestraft. Das ermöglicht der Familie, die Verwandten im Osten, insbesondere die Großeltern, weiterhin zu besuchen.
    Der sechsjährige Hans-Ulrich empfand die Flucht seiner Familie in den Westen zuerst als eine Flucht in die Armut. Materiell war die Familie Jörges in Bad Salzungen besser gestellt als im Nordhessischen bei Eschwege, wo er eingeschult wird. Einen Kindergarten hat er nicht besucht. Am ersten Tag, an dem seine Eltern ihn, seinerzeit noch in Bad Salzungen, in den Kindergarten schicken wollten, hat er den ganzen Tag nur geschrien. Es war sein erster und letzter Kindergartentag.

    Nach einigen Jahren in Eschwege zieht es die Familie in den Raum Fulda. Jörges erinnert sich an Ausflüge an die damalige Zonengrenze und die wehmütigen Blicke der Eltern in die alte Heimat. 8 500 Kilometer Eiserner Vorhang trennten die Staaten des sogenannten Ostblocks von der freien Welt. Schon als Kind erfuhr Hans-Ulrich, der beide Welten kannte, die schmerzhafte Teilung Deutschlands und Europas.
    Hans-Ulrich Jörges ist in Thüringen getauft und in Hessen konfirmiert worden. Er stammt aus einem überzeugt protestantischen Elternhaus. Vielleicht lag es an den falschen Lehrern sowie den ungünstigen Umständen, dass es dem heranwachsenden Hans-Ulrich nicht gelang, seinen Kinderglauben in die Erwachsenenwelt hineinwachsen zu lassen. Wie Edith Stein und andere wurde er auf dem Weg zum Erwachsensein zum Atheisten. Vielleicht deshalb, oder auch trotzdem, ist er heute ein engagierter Streiter für Religiosität und in dieser Rolle ein gefragter Referent bei den Veranstaltungen beider christlicher Kirchen.
    Stark geprägt haben Hans-Ulrich Jörges sein Mathematiklehrer und später sein Deutschlehrer durch ihre Ausstrahlung und Integrität. Letzterer war entscheidend für seine politische Orientierung, weil er als Person überzeugte: Im Zweiten Weltkrieg schwer verwundet, Helm durchschossen, offener Kopf, aber Gehirnzellen gerettet. Er hatte eine Silberplatte im Kopf, musste regelmäßig Tabletten nehmen, sein linker Arm hing herab, war ungesteuert. Manchmal, wenn er die Tabletten zu spät einnahm, starrte er bis zu 20 Minuten wie gelähmt ins Klassenzimmer. Im Unterricht las Jörges Brecht und Böll und beschäftigte sich mit der Nazi-Zeit. In der Gestalt dieses Lehrers dokumentierte sich ihm, was im Krieg passierte, was mit Menschen
passierte - wie wichtig also Menschen für die

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