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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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Paradoxien, die die moderne Demokratie in Betrieb halten.
    Das Miteinander, das in Zeitungen, Fernsehen, Radio oftmals kritisch distanziert wirkt, ist tatsächlich ziemlich innig, wie der Rücktritt des Bundeswirtschaftsministers Michael Glos schön illustrierte. Weil der Müllermeister aus Franken über viele Jahre als gute Quelle und zuverlässiger Starkspruchlieferant galt, blieb er von allzu übler
Kritik verschont. Auch SPD-Fossil Peter Struck genießt einen über viele Legislaturperioden aufgebauten Schutz.
    Fakt ist: Das Verhältnis von Journalisten und Politikern gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen der Republik. Beide bilden einen Geheimbund, zusammengehalten durch das Bewusstsein großer Wichtigkeit. Theoretisch bilden beide jenen virtuellen Raum, den Politikwissenschaftler demokratische Öffentlichkeit nennen. Praktisch marschieren sie oft jahrzehntelang einträchtig durch die Institutionen und Redaktionen.
    Politiker und Journalisten sind in fröhlicher Co-Abhängigkeit vereint. Die Sucht nach Macht und Aufmerksamkeit würden beide entschlossen dementieren, aber genau diese Sucht ist es, die sie zusammenhält. Der eine hat Macht und Bedeutung, der andere herrscht über Schlagzeilen, Tageskurse und Karriereverläufe. Erst zusammen wird für beide eine Droge daraus, die täglich verfügbar ist, in digitalen Zeiten sogar rund um die Uhr. Konrad Adenauer und Willy Brandt konnten noch wochenlang ungestört die Ferien verbringen, der bloggende Parlamentarier muss in Echtzeit auf jeden Quatsch reagieren - sonst zeihen Journalisten ihn der Bürgermissachtung.
    Kritik ist die Kraft, die den politisch-journalistischen Komplex zusammenhält. Nichts liest der Politiker morgens mit mehr genüsslicher Abneigung als den Kommentar seines publizistischen Lieblingsfeindes. Und nichts liefert der Journalist lieber als eben jene Zeilen, von denen er hofft, dass sie den Kritisierten treffen mögen.
    Es sei denn, der Politiker hat gute Informationen geliefert. Dann kommt er ungenannt davon oder wird womöglich gar gelobt. Doch Zuspruch bleibt die Ausnahme: Nichts ist in Redaktionen verpönter als ein nettes Wort über Politiker; nichts ödet den Leser vermeintlich mehr an.

    Macht ist Mehrheitsbeschaffung in Gremien und Parlamenten, und die funktioniert vor allem via Öffentlichkeit, also Medien. Manisch hämmern immer mehr Abgeordnete und ihre Mitarbeiter auf ihre Blackberrys, um sekundengenau das Meinungsklima zu ermitteln. Ist der Zeitpunkt günstig, seinen Journalistenkumpel anzurufen und eine schwelende Debatte zu befeuern? Oder könnte die Kanzlerin verärgert sein? Und was machen die Rivalen wohl gerade jetzt?
    Öffentliche Meinung diktiert politisches Handeln. Mögen sich die Regierenden noch so skeptisch über Journalisten äußern, am Frühstückstisch lesen sie sich dennoch täglich vor, was SZ -Kister und FAZ -Bannas, Stern -Jörges oder Bild -Wagner wieder geschrieben haben. Und sie beziehen deren Aufsätze, in Ermangelung von Kontakt mit echten Menschen, oftmals in ihre Überlegungen mit ein. Zugleich dienen Journalisten als Vermittler jener Wirklichkeit da draußen im Lande, die der Politik bisweilen entgeht. Den Journalisten aber oftmals auch. Gemeinsam bilden sie eine Membran, an der Macht und Meinung täglich neu ausgetauscht werden.
    Der Einfluss von Druckwerken und Fernsehen ist derartig groß, dass kaum eine politische Entscheidung auch nur vorsichtig angedacht wird, ohne die Medienreaktion akribisch mitzuplanen. Es ist wie beim Schach: Politiker instrumentalisieren Journalisten; diese wissen um ihre Rolle und wehren sich durch Misstrauen, Widerspenstigkeit oder, am schlimmsten, durch hartnäckige Recherche. Diesem Streben nach der Story versuchen die Politiker wiederum zu entgehen, indem sie die Medienvertreter auf andere Fährten locken, zum Beispiel mit vertraulichen Informationen über das Treiben der politischen Konkurrenz, ganz gleich, ob in der eigenen oder einer anderen Partei.

    Jeder führt in dieser verhängnisvollen Affäre eine scharfe Waffe in der Hand. Politiker entscheiden, Journalisten bewerten. Und jeder fühlt sich dem anderen ausgeliefert. Zwischen beiden Berufsgruppen herrscht eine eigene Hochspannung, ein eigenartiges Mikroklima von Belauern und Vertrauen, von Angst und Begehren, von Belohnen und Bestrafen, von Liefern und Bezahlen. Der eine kann Informationen liefern, der andere eine Schlagzeile hunderttausendfach in die Welt setzen. Und täglich grüßt die Angst, man könnte

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