Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Personalabbau und gleichzeitiger Beschleunigung führte zu permanenter Oberflächenspannung. Immer schneller, immer empörter dreht sich seither das mediale Rad, immer mehr Anbieter dreschen immer atemloser immer banalere Inhalte in die Welt. Relevant oder nicht, Politiker brauchen diese Aufmerksamkeitsfetzen, schon deswegen, um im Wahlkreis zu zeigen, dass sie tatsächlich in Berlin beim Spiel der Großen und Mächtigen mitwirken.
Das oftmals unwürdige Schauspiel erzeugt bei vielen Politikern ein Befremden, wachsende Skepsis, Unzufriedenheit. Wie weit muss man sich der Medienlogik beugen? Mochte in Bonn zuviel Nähe zwischen Medien und Politikern geherrscht haben, so ist Berlin gekennzeichnet von Kontrollverlust.
Die Folge ist ein Mummenschanz. Viele Volksvertreter haben sich inzwischen eine Medienpersönlichkeit zugelegt, eine zweite Haut gewissermaßen, und die passende Sprache dazu. Kameragerecht wird im Wesentlichen nichts gesagt. Denn jedes ehrliche Wort führte nur zu Ärger.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte unterscheidet zwischen Darstellungs- und Entscheidungspolitik, vulgo zwischen symbolischen Akten für Fotografen und Kamerateams und tatsächlichem Handeln hinter verschlossenen Türen. In eben diese beiden Welten zerfällt das politische Berlin: Bühne und Hinterzimmer. Und in beiden sind Politiker und Journalisten zu Hause, manchmal enger als der Bürger sich es vorstellen mag.
Dieses Buch ermöglicht zum ersten Mal einen Blick in jene Blackbox, in der sich Politiker und Journalisten bewegen. Bislang verwalteten Journalisten das Monopol dessen, was an die Öffentlichkeit dringt. Jetzt ist die Politik an der Reihe. Von schonungslos bis liebevoll, von spöttisch bis analytisch reichen die Tonlagen, in denen die junge Elite der deutschen Politik die Titanen des deutschen Journalismus besingt.
So ist ein Lesebuch entstanden, ein Aufklärungswerk, ein unterhaltsames und angenehm bissiges Kompendium zum besseren Verständnis der Berliner Republik. Die Beiträge mögen Gräben aufreißen, Brücken schlagen, Staunen erzeugen und Lacher - aber sie verbreiten niemals Langeweile. Dafür gilt allen Autoren unser herzlicher Dank.
Maybrit Illner/Hajo Schumacher
DR. KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG
Der »Journalist ohne Namen«
Entgegen aller Möglichkeiten, einen der zahlreichen tatsächlichen oder gelegentlich selbsternannten exzellenten Journalisten zu porträtieren, fiel meine Entscheidung auf den »Journalisten ohne Namen«. Idealbild des Betrachters oder Fassade für den journalistisch - nicht selten investigativ - Tätigen?
Zum Idealbild des »Journalisten ohne Namen« für den Politikschaffenden: Mit dieser Figur eröffnet sich unvermittelt die Option, einen zugegeben brachialen stilistischen Trick anzuwenden: denn der »Journalist ohne Namen« hat die wundersame Eigenschaft, mich wie ein weißes Blatt Papier dazu einzuladen, in aller unverschämt genommenen Freiheit und mit einem erkennbaren Augenzwinkern zu skizzieren, welche journalistischen Qualitäten ein Bundesminister als besonders erwähnenswert für diese Zunft hält.
Der »Journalist ohne Namen« vereint als absoluter Allrounder wie selbstverständlich die Kompetenzen für mehrere Mediensparten in seiner Person: TV-, Hörfunk-, Zeitungs-, Magazin-, Online-, Agentur- und Fotojournalismus; alle Bereiche werden durch ihn gleichermaßen kreativ und hochbegabt abgedeckt. Das hat für den Politiker den unschätzbaren Vorteil, mit einem einzigen Pressestatement alle Medienfelder bedienen zu können. Wie ungemein zeitsparend und potenziell konfliktfrei für nahezu alle Beteiligten.
Der Beliebtheitsgrad des »Journalisten ohne Namen« ist im unmittelbaren Umfeld des Verfassers dieser Zeilen unerhört hoch. Nicht nur, dass er den Bundesminister durch das Wegfallen von Presseterminen entlastet, er erfreut das Büro desselben zudem durch seine wunderbare Gabe, genau dann anzurufen, wenn man ohnehin gerade an ihn gedacht hat, und gibt seiner Wertschätzung gegenüber jedem Mitarbeiter beredt und gewandt Ausdruck. Zudem wissen wir alle am »Journalisten ohne Namen« zu schätzen, dass er sich - genau wie die Politiker - stets an die allgemeinen Büro- und Geschäftszeiten hält. Von Anfragen an Wochenenden, Ostern, Pfingsten und Weihnachten sieht er selbstredend ab.
Fraglos ist der »Journalist ohne Namen« politisch höchst versiert und verfügt über einen stupenden Bildungshorizont, weiß intellektuell zu überraschen und ist dem
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