Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

auch nicht in dem Maße dem neoliberalen Mainstream wie jene von Sabine Christiansen . Während ich mich dort nicht selten in der Rolle des Fossils aus längst vergangenen Zeiten wiederfinden sollte, wollte Maischberger
wirklich Meinungen ergründen und politische Vorgänge erhellen. Nichts beschrieb den Niedergang des ambitionierten Projekts eines privaten Nachrichtensenders besser als das Ende dieser Sendung. Nichts von dem, was danach auf diesem Sendeplatz bei n-tv produziert und gesendet wurde, konnte dieses Format wirklich ersetzen.
    Insofern ist es bedauerlich, dass die ARD für Sandra Maischberger nur Platz am späten Dienstagabend hat, und dies auch nur mit einem Format, bei dem ihre Stärken zu wenig zum Tragen kommen. In der Sofalandschaft des Kölner Studios versackt manches Thema in einer seltsam uninspirierten Mischung aus Kerner , Beckmann und Jauchs Stern TV . Es scheint, als würden die tiefen Polster die Studiogäste zu besonderer Langatmigkeit anhalten, aus der sie auch Sandra Maischberger nicht immer herausholen kann. Und der Sendeplatz verführt offensichtlich dazu, sich immer mal wieder mit allzu fernen Randthemen zu beschäftigen, die mitunter besser bei Kallwass oder Geißen aufgehoben wären. Eigentlich fehlt nur noch, dass hinterher Johann Lafer zum gemeinsamen Kochen einlädt.
    Aber es sind nun auch schon über 200 Sendungen Menschen bei Maischberger . Bei der Quotenversessenheit der ARD-Oberen müssen demzufolge am Dienstagabend genügend Menschen einschalten. Dass ich nur selten dazugehöre, wird sie verschmerzen.
     
    Gewiss, es dürfte nicht sehr sinnvoll sein, den politischen Hahnenkämpfen am Sonntag, Mittwoch und Donnerstag noch einen vierten am Dienstag hinzuzufügen. Schon jetzt kann man sich die redaktionellen Krämpfe vorstellen, die bei Will, Plasberg und Illner herrschen, wenn das angedachte Thema drei Tage vorher bei der Konkurrenz läuft. Doch Sandra Maischberger kann Politik nun mal am besten.

    Man darf hoffen, dass die ARD-Intendantenrunde Sandra Maischbergers Talent mehr ausbeuten möchte. Dazu hätte ich zwei Vorschläge: Gebt ihr zum einen mehr Gelegenheiten, Filme über Menschen zu machen, die man zu kennen meint. Sie wird garantiert noch Unentdecktes zu Tage fördern. Zum anderen wäre eine Interviewsendung wie die von Günter Gaus eine Neuauflage wert. Nicht irgendwo verschämt im Dritten nach den Spätnachrichten, sondern prominent platziert im Ersten vor den Tagesthemen. Das dreimalige Maischbergersche »Ja« auf die Frage, ob erstklassige Interviewformate im deutschen Fernsehen fehlten, legt zumindest die Vermutung nahe, dass sie sich einem solchen Ansinnen nicht verschließen würde und dass ihr trotz gegenteiliger Beteuerung der Talk-Journalismus am Dienstagabend nicht ausreicht.
     
     
    DER AUTOR
    Dr. Gregor Gysi (geb. 1948 in Berlin) ist neben Oskar Lafontaine Vorsitzender der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Der promovierte Rechtsanwalt war Mitglied der letzten, frei gewählten Volkskammer der DDR, Vorsitzender der PDS sowie Berliner Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Im September 2005 wurde er im Wahlkreis 85 Berlin-Treptow-Köpenick direkt wieder in den Bundestag gewählt.

TAREK AL-WAZIR
    Hängend an der Regenrinne - Karl Doemens
    Mit dem Strom ist er nie geschwommen - weder bei seiner Berichterstattung noch bei seinen Kleidungsgewohnheiten. So war es für einen Landtagskorrespondenten der Frankfurter Rundschau im Jahr 1996 mehr als ungewöhnlich, morgens gestiefelt und gespornt mit aufeinander abgestimmtem Hemd, Krawatte und Jackett in die bescheidene Kemenate der FR im Wiesbadener Schloss zu kommen, in der es noch nicht einmal einen ordentlichen Radioempfang gab. Karl Doemens zeichnet auch in Kleidungsfragen ein gewisses Sendungsbewusstsein aus, gepaart mit ironischer, von Herzen kommender Hilfsbereitschaft. Es war zum Beispiel ganz typisch für ihn, dass er mir eines Tages ein Faltblatt zuschob, in dem die Kunst des Krawattenbindens für den Ungeübten in einfachen Bildern dargestellt wurde. Irgendwo hatte er meine Unfähigkeit in diesen Belangen aufgeschnappt und meinte, Abhilfe schaffen zu müssen.
     
    In seiner Arbeit ist Karl Doemens hartnäckig, sehr hartnäckig. Bis heute gibt es hessische Grüne, die bei der Nennung seines Namens rote Flecken am Hals bekommen. Dies liegt an seiner besonderen Rolle in der Berichterstattung, die 1998 zum Rücktritt unserer damaligen Sozialund Umweltministerin Margarethe Nimsch führte.