Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
»Schwennicke hat das Gefühl, dass er ältere Politiker irritiert. Denen sei es am Ende lieber, sie hätten mit einem Journalisten aus dem anderen Lager zu tun als mit einem, den sie nicht einschätzen können. Und er meint zu
spüren, dass ältere Politiker mit seinem Stil nicht klarkämen. Wie der ist? ›Verglichen mit der Generation der älteren Journalisten distanziert‹, sagt Schwennicke.«
Und das stoße auf Misstrauen. Denn, so Schwennicke damals: »Ich lasse mich politisch nicht so verorten. (…) Natürlich habe ich einen politischen Ort, aber der ist nicht Ausgangspunkt meiner Berichterstattung.«
Auch nach meiner Beobachtung unterschieden sich die jüngeren Parlamentskorrespondenten von der alten Garde, die ich selbst in Bonn noch kennengelernt habe. Damals war bei vielen älteren Journalisten klar, mit welcher Partei sie sympathisierten. Und es machte den Umgang miteinander berechenbarer, wenn ich wusste: Das ist jetzt ein »Schwarzer«, mit dem ich spreche. Man war nicht einer Meinung in der politischen Bewertung, aber der Standpunkt des jeweils anderen war klar. Warum aber scheute die Garde der jüngeren Berliner Journalisten vor einer parteipolitischen Positionierung zurück? Diese Frage kann ich nicht beantworten, denn es gehört zum Wesen des Politikerberufes, sich von Beginn einer politischen Laufbahn an parteipolitisch zu positionieren. Das Ergebnis ist jedenfalls, dass diese jüngere Journalistengeneration bisher viel farbloser wirkt als die ihrer Vorgänger.
So lesen sich viele Kommentare von Christoph Schwennicke aus den Jahren 2000 bis 2005 wie gute »Sachkommentare«: Abgewogen und sauber durchargumentiert, aber meist von einem vermeintlich neutralen Standpunkt aus geschrieben. Die eigentliche Kraft des journalistischen Genres »Kommentar« entfaltet sich jedoch erst, wenn sich der Schreiber am Ende nicht um eine eigene klare Position herumdrückt. Wie hatte Schwennicke noch 2005 gesagt: »Es widerstrebt meinem beruflichen Selbstverständnis,
Artikel mit der Überschrift ›Was Frau Merkel jetzt tun muss‹, zu schreiben.« Inzwischen jedoch lesen sich einige seiner Interventionen ganz anders. Auf Spiegel Online beispielsweise schrieb Schwennicke kürzlich einen Kommentar mit der Überschrift »Kann Merkel Krise?« Darin gab er wortgewaltig genau die politische Handlungsanleitung, von der er drei Jahre zuvor noch nichts wissen wollte: Merkels »ganzer Politikstil ist auf den Normalfall, nicht den Störfall angelegt. Sie betrachtet Politik als eine Angelegenheit, die vom Ende her zu denken ist. (…) In der Krise aber kann man nicht vom Ende her denken. In der Krise muss man vom Anfang her denken. Und intuitiv und beherzt das tun, was zum richtigen Ende führt.« Erleben wir also derzeit eine Politisierung der »Generation Berlin« des deutschen Journalismus? Gründe dafür gäbe es: Zum einen haben viele ihrer Vertreter inzwischen Familien gegründet, sind beruflich aufgestiegen und in eine andere Lebensphase getreten. Sie ist lange her, die unbeschwerte Zeit der rot-grünen Bundesregierung nach dem Parlamentsumzug von Bonn nach Berlin. Zum anderen leben wir in sich rasant verändernden Zeiten und stehen - angesichts von Klimawandel, Globalisierungsfolgen oder der jüngsten Finanzmarktkrise - unter wachsendem politischen Handlungsdruck. Auch Journalisten sind eben Kinder ihrer Zeit.
LITERATURBELEGE
Decker, Frank: »Sehnsucht nach dem starken Mann. Wenn sich Journalisten als Verfassungsreformer versuchen, wird es meistens platt. Eine Widerrede«, in: Berliner Republik , Heft 2/2007, S. 56-65
Fried, Nico/Christoph Schwennicke: »Ohne ein gewisses Maß an Arroganz hält man das nicht aus«, Interview mit Franz Müntefering, in: Süddeutsche Zeitung Magazin vom 13. 4. 2007
Haeming, Anne: »Neuer Politikstil ist handfester und weniger glamourös«, Interview mit Christoph Schwennicke, in: Das Parlament , Nr. 49/50 vom 5. 12. 2005
Kurbjuweit, Dirk: »Wie die ersten Menschen«, in: Der Spiegel vom 20. 12. 1999
Schwennicke, Christoph: »Kann Merkel Krise? Zum Führungsstil der Kanzlerin«, in: Spiegel Online vom 1. 12. 2008
Ders.: »Die vollkommene Verkrautung des Landes«, in: Spiegel Online vom 24. 10. 2008
Ders.: »Aus der guten Welt. Mit seiner Öffnung zur Linkspartei lässt sich Kurt Beck auf ein riskantes Manöver ein. Der Pfälzer ist ein Mann, der seinen Zorn und seinen Trotz kultiviert«, in: Der Spiegel vom 25. 2. 2008
Ders.: »Endlich
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