Schmuggler reisen unerkannt
wissen doch,
Frau Vierstein: Während der Ferien sind wir auch spätabends umtriebig. Dürfen
wir doch? Jetzt brauche ich Karl.“
Frau Vierstein seufzte, wußte
aber, daß es kein Mittel gibt, den Tatendrang der TKKG-Bande zu bremsen.
„Ich hole ihn. Soll er etwa das
Haus verlassen?“
„Nur für kurze Zeit. Spätestens
um elf sind wir dann da.“
„Die jungen Herren geruhen,
heimzukommen, während mein Mann und ich schon schlafen. Tim, ich reiß dir die
Ohren ab.“
„Bitte, nicht!“ lachte er.
Karl, der schon neben seiner
Mutter stand, kam ans Rohr.
Tim informierte ihn. Dann:
„Karl! Ich wette meine Zähne gegen eine Garnitur dritter Beißerchen — Platzke
kommt um 21.40 Uhr mit dem IC Ferienland. Und die drei Scheißtypen lauern ihm
auf. In der Lagerhaus-Straße werden sie über ihn herfallen. Stoff, sicherlich
eine größere Menge — das ist die erhoffte Beute. Aber wir versalzen ihnen die
Suppe.“
„Ich komme“, sagte Karl.
„Eigentlich wollte ich noch bei Dr. Pauling vorbeisehen, aber... ja, erst mal
komme ich zum Westbahnhof.“
„Nein. Komm zum Ende der
Lagerhaus-Straße. Die mündet in den Rotkehlchen-Weg. Dort, an der Ecke, treffen
wir uns. Aber nicht unter der Lichtpeitsche!“
„Verstehe. Wenn wir von dieser
Seite in die Lagerhaus-Straße pirschen, bemerken uns die Typen nicht.“
„Das ist es, Karl. Die luchsen natürlich
Richtung Bahnhof. Wer von dort kommt, hat den erleuchteten Vorplatz hinter
sich, ist also leicht auszumachen — schon von weitem. Wir nähern uns quasi von
hinten.“
Als Tim seine Tretmühle ins
Freie schob, flimmerte kalter Regen in den Nachtnebel, und die Sicht in der
schwadigen Luft verkürzte sich auf wenige Schritte.
Er fuhr rasch über den
Vorplatz, schwenkte in die Bartmüller-Straße, radelte bis zum Ende, wo der
Rotkehlchen-Weg beginnt, und legte die letzte Wegstrecke zurück bis zum Ende
der Lagerhaus-Straße.
Er blieb im Dunkeln, wartete.
Die Straße verlief nicht
gestreckt, sondern im Bogen. Von hier aus konnte man den Bahnhof nicht sehen.
Tim spähte in den dunklen
Schlauch.
Lagerhäuser zu beiden Seiten,
vermutlich noch Bahngelände. Tagsüber wurde hier verladen, beladen, entladen.
Jetzt über wog tote Hose total — sieht man mal ab davon, daß die drei
Schrilltypen im Hinterhalt lagen irgendwo dort.
Vermutlich beim Baugeschäft,
dachte Tim.
21.29 Uhr.
Er hörte hinter sich das
Flitschgeräusch von Fahrradreifen auf nassem Asphalt.
Karl trug seinen Regenponcho,
und die Gläser der Nickelbrille waren beschlagen.
„Bin ich rechtzeitig?“
„Der IC rollt ein in elf
Minuten. Falls er nicht vorher kommt. Aber das wäre total abartig bei unserer
Bundesbahn. Da und im Flugverkehr gibt es Verspätungen, Verfrühungen sind
unbekannt.“
„Und jetzt?“
„Die Räder parken wir hier.
Dann schleichen wir im Dunkeln Richtung Baugeschäft. Die Hofeinfahrt dort ist
sicherlich offen. Und wie gemacht für einen Hinterhalt.“
„Platzke müßte bescheuert sein,
wenn er bei dem Wetter zu Fuß geht.“
„Der Weg ist zu kurz, Karl.
Taxichaffeure brummen, wenn sie für eine Drei-Mark-Fuhre losmüssen. Sie sind
zwar verpflichtet dazu, aber gern tun sie’s nicht. Daß Platzke das
berücksichtigt — darauf spekuliert unser Trio.“
Sie stellten die Drahtesel an
einen Hydranten und sicherten ab gegen Diebstahl mit Kabelschloß.
Die einzige Lichtpeitsche stand
auf der anderen Straßenseite. Tim und Karl blieben in der Dunkelheit, pirschten
los, an einer rußigen Backsteinmauer entlang, vorbei an hohen Holztoren, die
auf Rollen liefen, und immer weiter bis zur Biegung der Straße.
Jetzt sahen sie, etwa 400 Meter
voraus, den Vorplatz des Bahnhofs.
Drei Taxis warteten vor dem
Gebäude. 21.33 Uhr.
Tim spähte zum Baugeschäft.
Tatsächlich, die Hofeinfahrt
stand offen.
Eben glühte dort ein roter
Punkt auf — in Mundhöhe. Einer der drei rauchte.
Tim und Karl huschten über die
Straße, waren jetzt auf derselben Seite und schlichen zur Einfahrt.
Im selben Moment ertönte beim
Westbahnhof ein Signalpfiff.
Abfahrt! hieß das. Das Geräusch
fernen Rumpeins drang her. Ein Zug setzte sich in Bewegung.
War das etwa der IC?
Tim sah auf die Leuchtziffern
seiner Uhr.
Immer noch 21.33 Uhr.
„Karl, wie spät hast du’s?“
wisperte er.
Auch Karls Watch war mit
Leuchtziffern ausgestattet.
„Etwa Viertel vor zehn.“
„Was?“
„21.49 Uhr, wenn du’s genau
wissen willst.“
Tim riß seine Uhr ans Ohr und
horchte. Aber da tickte nichts
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