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Schmuggler reisen unerkannt

Schmuggler reisen unerkannt

Titel: Schmuggler reisen unerkannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Und wenn er lossockt,
sind wir ihm auf den Fersen.“ Beschattung, nun angesagt, erforderte System.
    Karl sollte die erste Schicht
übernehmen — bis 19 Uhr. Dann wollte Tim ihn ablösen, bis bei Saßmanns — Mutter
und Sohn — die Lichter ausgingen.

16. Der Überfall
     
    Am frühen Vormittag war Dr.
Pauling in Florenz aufgebrochen, nach viel zu kurzem Aufenthalt in der von ihm
so geliebten Stadt.
    Er hatte einen befreundeten
Kollegen besucht, teilgenommen an einem zweitägigen Seminar — echter
Fortbildung — und dann eingekauft: Bücher, Bücher.
    Auch auf Karls Liste waren alle
Posten abgehakt.
    Pauling, ein etwas fülliger
Mittvierziger, der die italienische Küche liebte, hatte nur eine Pause gemacht,
war die Strecke durchgefahren — immer knapp über der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit.
    Nicht mehr weit bis zur
Landesgrenze.
    Pauling lutschte ein
Fruchtbonbon und hatte das Autoradio angestellt.
    Dann sah er sie.
    Sie stand an der Straße, die
aus dem Dorf hinausführte Richtung Grenze: schmal, blaß, in abgewetzten Jeans
und speckigem Blouson. Der Tourenrucksack schien das Mädchen niederzudrücken.
Eine Anhalterin.

    Wagen rollten an ihr vorbei —
drei, vier. Aber den Daumen hob sie erst, als Paulings BMW in die Nähe kam.
    Irgendwie wurde Pauling an
seine Tochter erinnert, die ungefähr im gleichen Alter war und gerade anfing
mit dem Studium.
    Er hielt, den Blick auf den
erhobenen Daumen gerichtet.
    „Wohin wollen Sie?“
    Sie starrte noch immer auf sein
Kennzeichen, hob jetzt den Kopf, lächelte fade.
    „Sind Sie von dort?“ Sie
deutete aufs Nummernschild.
    Er nickte.
    „Könnte ja auch sein“, erklärte
sie ihre seltsame Frage. „Sie haben den Wagen geliehen und wollen ganz woanders
hin. Nett, daß Sie mich mitnehmen.“
    Sie schob den Rucksack in den
Fond, glitt dann auf den Beifahrersitz.
    „Haben Sie gewartet“, fragte
Pauling, „bis ein Wagen mit dem richtigen Kennzeichen kommt?“
    „Warum nicht. Ehe ich noch
zigmal umsteigen muß. Durchgehende Fahrt ist mir lieber.“ Sie lachte.
    „Ist das nicht riskant — so als
Anhalterin?“
    „Ich gerate immer an nette
Leute. Wie Sie.“
    Er stellte sich vor. Sie hieß
Erika Sonntag.
    „Ich trampe seit Anfang März.
War bis Neapel.“
    Sie erzählte unbekümmert, aber
Pauling war angespannt. Erst jetzt fiel ihm ein, daß er sich eigentlich
vorgenommen hatte, niemals Anhalter mitzunehmen.
    Ihr trostloser Anblick. Mitleid
hatte ihn übermannt.
    Noch zehn Kilometer bis zur
Grenze.
    Sie fuhren nicht Autobahn,
sondern die alte gebührenfreie Straße. Kurve um Kurve. Leider auch
Gegenverkehr.
    Plötzlich schrie Erika auf. „O
Gott! Meine Tasche!“ Sie löste den Sicherheitsgurt. „Bitte, anhalten!“
    „Was ist denn?“
    „Ich habe meine Umhängetasche
vergessen. Mit Geld und allen Papieren. Ich muß zurück. In das Dorf. Ich
glaube, vergessen habe ich sie... Ja, da muß sie noch liegen.“
    „Soll ich Sie zurückfahren?“
bot er an. Es klang halbherzig und war auch so gemeint: nur eine höfliche
Floskel.
    „Und ewig auf mich warten?“ Sie
stieg aus und schulterte ihren Rucksack. „Irgendwer nimmt mich mit. Und dann
hinterm Dorf warte ich eben wieder, bis ein Wagen vorbeikommt mit dem richtigen
Nummernschild. Danke!“
    Er fuhr zur Grenze.
    Zollbeamte langweilten sich.
Trotz beginnender Ferienzeit herrschte wenig Verkehr.
    Immerhin — sie prüften
Reisepaß, Führerschein und sahen sogar in den Kofferraum.
    Dann fuhr Studienrat Dr.
Pauling weiter.
    Von dem, was unter dem
Beifahrersitz lag, merkte er nichts.
     
    *
     
    Ein kalter Abend. Regenwolken
am Himmel. Wind fauchte durch die westlichen Randgebiete der Großstadt, und die
Straßen waren leer. Jedenfalls fuhren nur Autos, Fußgänger sah man nicht.
    Tim hatte seine längste
Windjacke angezogen und das einknöpfbare Winterfutter drin gelassen. Ein Glück!
Denn es war ungemütlich, hier rumzuhocken — seit fast zwei Stunden.
    Er hatte Karl abgelöst. Dort
drüben war die Kfz-Reparaturwerkstatt Saßmann. Hier, schräg gegenüber, war eine
überdachte Hofeinfahrt. Der TKKG-Häuptling lehnte an der Mauer, verlegte das
Körpergewicht mal aufs rechte, mal aufs linke Bein und langweilte sich.
    Sein Rennrad stand neben ihm.
Drüben auf dem Werkstattgelände rührte sich nichts.
    Öder, dachte Tim, kann’s gar
nicht sein. Diese schaurige Kälte. Und nichts passiert. Wenn wenigstens Gaby
hier wäre. Nein, nehme ich zurück. So ein selbstsüchtiger Wunsch — nur weil ich
mich langweile.

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