Schmusekatze, jung, ledig, sucht
Sessel, dazu eine kantige Ledercouch, die definitiv nicht zum Sitzen einlud. Obwohl … es stimmte nicht so ganz, dass sie damit gerechnet hatte, vielmehr hatte sie es … befürchtet. Ja, genau. Sie hatte befürchtet, Robert könnte einer von diesen Leuten sein, die die eigene Wohnung so unpersönlich einrichteten, als hätten sie sie eins zu eins aus dem Möbelhaus übernommen und gar nicht daran gedacht, dem Ganzen irgendetwas Persönliches zu verleihen.
Auf jeden Fall hatte sich ihre Befürchtung nicht bewahrheitet. Das Ambiente hier besaß eindeutig eine persönliche Note. Es war gemütlich, es strahlte Persönlichkeit aus, und es vermittelte den Eindruck, dass hier jemand lebte, der hier auch zu Hause war. Das Zweisitzersofa und die beiden Sessel aus dunkelbraunem Leder waren abgewetzt, was ihnen Charakter verlieh, die Schrankwand dem Sofa gegenüber – mit einem etwas zu groß geratenen Flachbildfernseher in der Mitte – quoll von Taschenbüchern über, auf dem Boden davor stapelten sich Dutzende DVD s. In einer Vitrine neben dem Sofa standen Modellautos dicht gedrängt, und das eigentlich ziemlich großzügige CD -Regal an der anderen Wand musste schon seit Jahren zu klein sein, wenn sie die CD -Stapel davor richtig deutete.
»Und?«, fragte er, nachdem er ihr Zeit gelassen hatte, den Raum in sich aufzunehmen.
»Gemütlich«, sagte sie.
»Heißt das so viel wie unordentlich?«
»Unordentlich?«, wiederholte sie. » Warum soll ich ›gemütlich‹ sagen, wenn ich eigentlich ›unordentlich‹ meinen würde?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber so aufgeräumt, wie es bei dir ist, weiß ich nicht, was du zu meinem Chaos sagst.«
»Das stört mich nicht. Ich habe bloß nie Zeit, mir Filme anzusehen, und nach CD s steht mir auch nicht der Sinn, wenn ich abends spät nach Hause komme. Darum kaufe ich mir nur sehr selten was.«
»Ich kaufe mir ständig irgendeinen Film oder eine CD , allerdings habe ich auch nie Zeit, mir davon was anzusehen oder anzuhören«, räumte er ein. »Ich nehme mir das jedes Mal vor, wenn ich eine DVD entdecke, die ich schon immer haben wollte. Aber dann landet sie am Ende doch auf einem der Stapel da unten und gerät in Vergessenheit.«
Chrissy verzog den Mund. »Das ist doch eine Schande. Und was ist mit den Büchern? Zum Lesen wirst du dann ja wohl auch nicht kommen.«
»Die Bücher? Die sind sozusagen meine Jugendsünden. Ich hatte dir ja erzählt, dass ich Jules Verne liebe. Mit elf habe ich zum ersten Mal Die geheimnisvolle Insel gelesen, danach wollte ich auch alles andere lesen, was Verne geschrieben hatte. Ich habe Antiquariate und Flohmärkte auf den Kopf gestellt, um seine Bücher zu einem Preis zu bekommen, den ich mir mit meinem Taschengeld leisten konnte. Na ja, und da Verne natürlich überall in der Science-Fiction einsortiert ist, bin ich dann auch auf andere Autoren aufmerksam geworden – und das Ergebnis siehst du da. Oder besser gesagt, einen Teil vom Ergebnis. Im Schlafzimmer ist noch ein Regal voll mit Science-Fiction und Fantasy, und im Keller stehen noch ein paar Kartons mit den Büchern, die hier keinen Platz mehr haben.«
»Hm«, machte sie. » Wärst du dann nicht lieber Schriftsteller geworden? Ich meine, bei so einer Leidenschaft fürs Lesen.«
Robert schüttelte den Kopf. »Ich hatte schon in der Schule Schwierigkeiten, bei einem Aufsatz genug zu schreiben, um zwei DIN -A4-Seiten zu füllen. Ich würde Jahre brauchen, um hundert Seiten zu schreiben, und ich hätte keine Ahnung, was für eine Geschichte ich überhaupt erzählen sollte.« Er zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema. »Lass uns später reden, jetzt sollten wir erst mal sehen, wie sich unsere beiden Monster benehmen und ob das stimmt, was du gelesen hast.«
Ach ja, deswegen war sie offiziell doch überhaupt nur hergekommen, hielt sie sich vor Augen.
»Na ja, Ratgeber«, erwiderte sie und hob abwehrend die Hände. »Der eine schwört drauf, was ein Experte sagt, der andere will davon am liebsten gar nichts wissen. Wir können es einfach nur versuchen. Wo ist Jules eigentlich?«
»In der Küche. Ich habe ihn da eingesperrt, als du geklingelt hast, damit er nicht ins Treppenhaus entwischt, wenn ich dir entgegenkomme.«
»Gut, dann … dann mach ihm am besten die Tür auf, damit er rauskommen kann, und dann lasse ich Lady Penelope aus ihrer Box.«
Robert nickte, verließ das Wohnzimmer und ging nach rechts in den Flur. Chrissy folgte ihm, bog aber nach links
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