Schmusekatze, jung, ledig, sucht
so eingetreten, und selbst die unerfreulicheren Varianten waren von der Realität noch übertroffen worden. Die Aktion in Roberts Restaurant war dafür nur ein weiterer Beleg, dass ihre Fantasie einfach zu nichts taugte. Sie konnte gar nicht so viele Varianten durchspielen, um für alle Fälle gewappnet zu sein, weil zu viele unbekannte Faktoren eine Rolle spielten. Ein unerwarteter Anruf mitten in einer Unterhaltung, ein verschüttetes Glas Wein, ein Hustenanfall mitten im entscheidenden Satz, und schon war die sorgfältigste Planung über den Haufen geworfen.
Also wollte sie sich auch nicht vornehmen, wie sie bei ihrem nächsten Zusammentreffen mit Robert vorgehen sollte. Sie würde die Katzen in den Vordergrund stellen, denn um die beiden ging es eigentlich. Alles andere musste sie so nehmen, wie es kam. Irgendeine Gelegenheit würde sich schon ergeben, davon war sie überzeugt – es sei denn, die beiden Vierbeiner fielen auch jetzt wieder übereinander her und machten es völlig unmöglich, dass Jules bei ihr einquartiert wurde.
Ein energisches Miauen riss Chrissy aus ihren Gedanken. Sie sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Kurz vor zwölf. Ziemlich pünktlich, wenn man überlegte, dass sie einmal quer durch Düsseldorf gerast war, weil sie die Straße auf dem Zettel falsch gelesen hatte und bis nach Gerresheim gefahren war, obwohl sie auf die andere Rheinseite nach Lörick gemusst hatte. Die Seitenstraße lag dann auch noch so versteckt, dass sie sie im ersten Anlauf übersehen hatte. Dann endlich war sie an ihrem Ziel angekommen, einem unscheinbaren Reihenhaus, in dem Robert im ersten Stock wohnte.
Beim Blick auf die Uhr wurde ihr bewusst, dass sie ohne diese Odyssee einmal durch die Stadt mindestens eine Stunde zu früh da gewesen wäre. Offenbar hatte ihr Unterbewusstsein es viel eiliger als sie selbst, Robert endlich wiederzusehen.
Sie ging um den Wagen herum und holte die Transportbox heraus, was von Lady Penelope mit einem weiteren mürrischen Miauen kommentiert wurde. Ihre Katze war während der gesamten Fahrt sehr unruhig gewesen, ganz anders als während der ersten Autofahrt vom Züchter zum Tierarzt und von da weiter zu ihr nach Hause. Vielleicht hatte sie ja Angst, dass Chrissy sie wieder wegbrachte, vielleicht zurück zum Züchter, aber das war natürlich nicht der Fall. Ein paarmal hatte sie das der Katze in einem beschwichtigenden Ton versichert, jedoch ohne Erfolg, da diese gleich darauf weitermaunzte.
Die Tür zum Vorgarten des Reihenhauses war nicht verschlossen, erst am Gebäude selbst, das mit rotem Backstein verkleidet war, fanden sich die Klingeln. Sie drückte zweimal auf den Knopf neben dem Schild »R. Clauser«, Sekunden später wurde geöffnet. Nach oben ging es über eine etwas schmale Treppe, die Chrissy zwang, die Box vor sich zu halten, was sie als recht unpraktisch empfand. Auch wenn die Katze kein Schwergewicht war, ließ diese ungünstige Haltung ihre Hand schnell ermüden, da sie die Box zugleich auch noch höher halten musste, um nicht gegen die Stufen zu schlagen.
Robert tauchte am oberen Treppenabsatz auf, beugte sich vor und nahm ihr die Box ab. »Und?«, fragte er. »Hast du gut hergefunden?« Er trug eine dunkelgraue Jogginghose, ein T-Shirt und Schlappen.
»Ja, das ging ziemlich gut«, behauptete sie. Vielleicht hätte sie ihm sagen sollen, dass sie dank ihrer schludrigen Handschrift den Straßennamen falsch gelesen und mit Lady Penelope eine kleine Weltreise unternommen hatte. Es hätte sicherlich für einen amüsierten Lacher gesorgt, aber unter Umständen wäre Robert ebenfalls darauf aufmerksam geworden, dass sie ohne dieses Missgeschick deutlich zu früh bei ihm gewesen wäre – und wie sie das hätte erklären sollen, wusste sie nun wirklich nicht.
Er ging vor ihr in seine Wohnung, um die Transportbox abzustellen, dann schloss er hinter ihr die Tür und nahm ihr die Jacke ab, die sie trotz der angekündigten frühsommerlichen Temperaturen vorsichtshalber angezogen hatte. Dann folgte sie ihm durch den kurzen Flur ins Wohnzimmer, das einen überraschenden Anblick bot.
Eigentlich hatte sie fest damit gerechnet, dass Robert in einer von diesen kalten leeren Wohnungen lebte, die in Einrichtungsmagazinen so gern vorgestellt wurden. Alles in Chrom oder in Schwarz und Weiß gehalten, leere Tische, Regale mit drei oder vier Skulpturen, zwei winzige Bilder an einer ansonsten leeren Wand. Keine Gardinen, sondern kühle Lamellen vor den Fenstern. Harte, unbequeme
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