Schmusekatze, jung, ledig, sucht
wenn sie das Lokal gut im Griff hatte. Es war für sie einfach eine Gelegenheit, in den hektischsten Phasen des Tages ein paar Minuten lang verschnaufen zu können. Chrissy fand trotzdem, dass sie den Laden auch gut allein führen konnte und das auch tat, wie die Summen erkennen ließen, die sich Abend für Abend in der Kasse ansammelten. Es war einer der Vorteile, in einem Einkaufscenter untergebracht zu sein, dass ein Geldtransportunternehmen täglich nach Ladenschluss die Einnahmen aller Geschäfte abholte und wegbrachte. Die Vorstellung, um halb elf am Abend im Bahnhofsviertel unterwegs zu sein, um eine Geldbombe bei ihrer Bank zu deponieren, hätte Chrissy gar nicht gefallen. Am Tag und bis in den frühen Abend hinein war die Umgebung des Worringer Carrés relativ ungefährlich, jedenfalls war das Risiko eines Überfalls nicht deutlich höher als in anderen Geschäftsvierteln der Stadt. Im Center selbst war man auch vor den zwielichtigen Gestalten geschützt, die mit Anbruch der Dunkelheit aus irgendwelchen Ecken und Winkeln hervorkamen, weil die Wachleute auf die meisten von ihnen abschreckend wirkten und die wenigen unerschrockenen oder ignoranten unter ihnen von eben jenen Wachleuten gleich an den Eingängen in Empfang genommen und hinauskomplimentiert wurden. Je nach Alkoholpegel zog das auch mal die eine oder andere Pöbelei nach sich, aber die Wachmänner, die alle in diversen Kampfsportarten ausgebildet waren und regelmäßig ins Fitnesscenter gingen, mussten in aller Regel nur ihren finstersten Blick aufsetzen, und dann kehrte auch schon wieder Ruhe ein.
Die erfreulichen Dinge verblassten aber in dem Augenblick, in dem sie einen Blick auf den jeweils aktuellen Kontoauszug warf. Der Betrag, der am Ende des Auszugs stand, wurde – zumindest für ihre Verhältnisse – immer bedenklicher. Wenn sie nicht gerade ihre Eltern anpumpen wollte (was sie lieber vermied, weil sie wusste, welche Vorhaltungen sie dann zu hören bekommen würde, da sie ja offenbar über ihre Verhältnisse lebte), blieb ihr nur der Weg zur Bank, um den Kreditrahmen zu erhöhen. Das wollte sie aber auch nicht, wenn es sich irgendwie verhindern ließ, denn es hätte bedeutet, Dutzende Formulare auszufüllen und Zahlen aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung zu übernehmen, Prognosen zu erstellen, wie und warum sich ihre Einkommenssituation verbessern würde, um die höhere Kreditsumme zurückzuzahlen, wenn sie doch offenbar nicht in der Lage war, mit dem bestehenden Überziehungskredit auszukommen.
Zum einen nervte sie dieser ganze Papierkram, der doch eigentlich nur eine Alibifunktion hatte. Immerhin war es ein offenes Geheimnis, dass Banken einen Kreditrahmen gern erhöhten, weil sie auf diese Weise dem Kunden noch mehr Überziehungszinsen aus der Tasche ziehen konnten. Sie hatte sich noch nie die Mühe gemacht, sich intensiver mit den Zahlen auseinanderzusetzen, trotzdem war sie sich ziemlich sicher, dass die Banken über die Jahre hinweg mit den Überziehungszinsen so viel verdienten, dass sie letztlich auch dann noch genügend Gewinn machten, wenn der Kunde pleiteging und die Kreditsumme abgeschrieben werden musste.
Zum anderen würde sie sich irgendeine Erklärung aus den Fingern saugen müssen, wieso sie denn auf einmal eine Vollzeitkraft eingestellt hatte und wieso von Metzener kein Aushilfslohn mehr auf ihrem Konto einging. Sie wollte sich aber nicht noch ein weiteres Märchen ausdenken, was nämlich notwendig gewesen wäre. Mit der Wahrheit hätte sie bei ihrer Kundenbetreuerin überhaupt keine Chance gehabt. Die Frau war dreimal geschieden und hatte von Männern keine gute Meinung mehr, weshalb Chrissy bei ihr nicht auf Verständnis dafür gestoßen wäre, dass sie das alles nur tat, um einen Mann für sich zu gewinnen. Allerdings half bei ihr auch keines der anderen Märchen, die sie in die Welt gesetzt hatte, weil diese Frau absolut nichts für Tiere übrig hatte. Vielleicht sollte sie darauf bestehen, eine neue Betreuerin zu bekommen, aber das würde wieder neue Fragen nach sich ziehen, und abgesehen davon, dass diese Frau ihr einfach nicht sympathisch war, konnte sie kein objektives Argument vorbringen.
All das wurde begleitet von ihrer kaum zu bändigenden Fantasie, die eigenmächtig Dutzende von Szenarien durchspielte, wie das Wiedersehen mit Robert am Sonntag wohl verlaufen würde. Sie wollte sich das nicht vorstellen, denn nichts von dem, was sie sich seit ihrer ersten Begegnung mit Robert ausgemalt hatte, war
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