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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Limonade so früh am Tag? Junge, Junge, du bist aber auf den Hund gekommen. Früher hättest du’s nicht unter Champagner getan.«
    »Dafür heute eher drüber. Wenn du mich bestechen willst, mußt du schon mehr anlegen. Oder das Messer nehmen.« Moritz bohrte in der Nase, betrachtete das geschürfte Gut, wollte es am Ledersitz abstreifen, gönnte Baltasar einen Seitenblick, machte »pfft« und steckte die Hand in die Hosentasche.
    Ein paar Schweigeminuten später sagte er plötzlich: »Ich weiß, was du brauchst! Die Sache mit dem Zeitungsarchiv können wir vergessen.«
    »Was denn sonst?«
    »Leo der Löwe.« Morungen kicherte. »Heißt wirklich so. Leo Löwe. War früher mal Adlatus oder Adjutant oder so was beim Kölner Presseamt; Stadt Köln, klar?«
    »Und?«
    »Der hat in seiner Zeit – und vorher, soweit er die Dinge kriegen konnte – alles gehortet, was mit Kölner Promis zusammenhängt. Auch Promis, die es nicht mehr sind oder erst noch werden wollen. Sitzt allein in einem Riesenkasten in Nippes, irgendwo links von der Flora, und bastelt seit zehn Jahren an seinem großen Klatsch- und Enthüllungswerk über die Heiligen von Köln.«
    Matzbach schmatzte. »Klingt gut,
mon cher
. Zwei Currywürste, auch einzuhandeln gegen einmal Döner mit Cola.«
    »Gah.«
    »Was war jetzt mit dem Freizeitmurks?«
    Morungen rutschte auf dem Sitz herum, bis er halb auf dem Türgriff saß. »Ah. Also. Hm. Ach, allerlei Zeug, sagen wir mal so. Lanzerath hat einen Spezialbelag für diese komischen Dinger entwickelt, Mensch, wie heißen die denn? Diese, na ja, Kugelsegmente, in denen Rollbrettfahrer sich so gern den Hals brechen. Und, ah, flexiblen Belag für Spielplätze. Fitnesscenter. Sporthallen. Baut aber auch alles andere, was man gerade so braucht. Oder auch nicht. Von Straßen über Bürohäuser bis zu Tiefgaragen. Hat eine Firma, die Verkehrsschilder herstellt. Steckt mit beiden Fäusten in Zubehör für Segelflieger. Lauter so Zeug.« Er schniefte, hob wieder den rechten Zeigefinger zur Nase, ließ die Hand aber dann untätig in den Schoß sinken. »Alles, was nach Knete riecht.«
    Leo Löwe sah aus wie die Karikatur des prototypischen Herrn Schmitz alter Tage: zerknittert, dürr, mit weißem Menjoubärtchen und abgetragenem Straßenanzug. Es fehlten lediglich eine Melone und der Spazierstock, und schon hätte Löwe als samstäglicher Spaziergänger – »Hütchen ziehen, spärlich nicken, wenn ein Chef kommt: tiefer bücken« – den Weg zur Kölschrunde der Veedelshonoratioren antreten können, die neuesten Umtriebe der Herren Adenauer, Frings und Pferdmenges nebst denen des FC in bedächtiger Gehässigkeit zu erörtern.
    Morungen übernahm die Vorstellung. Matzbach schüttelte Löwes Pergamenthand und machte dabei eine kreiselnde Kopfbewegung.
    »Nett haben Sie’s hier«, sagte er. »Eher ein Etui oder Seelenfutteral als ein Haus, möcht ich mal sagen.«
    Löwe stieß ein nicht zum Namen passendes nasales Wiehern aus. »Kommen Sie, kommen Sie. So häßlich soll meine Seele sein? Was verschafft mir das Vergnügen?«
    Er ging voraus durch einen mit Kisten vollgestellten Flur. Die Tür am Ende führte in eine Art Halle. Offenbar hatte Löwe das Haus – Baujahr 1952, wie er später sagte – rabiat entkernen lassen. Alle nicht tragenden Wände waren entfernt worden, bis auf säulenartige Reste, auf denen das Obergeschoß unsicher ruhte. Allerdings mochte es auch auf den deckenhohen Metallregalen liegen, die die Parterre-Halle säumten, durchzogen, schraffierten. Neonlichter (Baltasar fröstelte trotz des heißen Tages) erleuchteten jeden Winkel, den die Sonne nicht erreichen konnte. Am Kopfende der Halle standen Stahlschränke, ein übervoller Stahlrohrschreibtisch, eine den Bedürfnissen des Pentagon angemessene Computeranlage, Gerätschaften zur Verfertigung und Lektüre von Mikrofilmen. Und eine Kaffeemaschine zur Versorgung eines Großraumbüros, daneben ein Trinkwasserbehälter, wie Matzbach ihn bisher nur aus alten amerikanischen Filmen kannte.
    Hinter einem der unverputzten Wandreste alias Säulen tat sich eine S-förmige Bar auf, auch sie aus Stahl, Chrom, Nickel, Platin, Iridium oder Uranplastik; ›irgendwie‹, dachte Matzbach, ›aus allem, was jede Form von Behaglichkeit ausschließt‹. Dahinter hockte, umzingelt von Flaschen, eine kleine Espressomaschine.
    »Kaffee?« Löwe wuselte bereits hinter der Bar herum. Nach Morungens Ausführungen über seine Karriere mußte der Mann fünfundsiebzig sein, sah

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