Schmusemord
trüben Tümpeln nicht nur lesen, sondern sogar die Wahrheit finden kannst.«
»Du hättest dich viel früher mit klugen Frauen mittleren Alters zusammentun sollen.«
»Ei wie gern. Wie viele gleichzeitig?«
»Gib nicht so an.«
Er ließ die Mundwinkel sacken. »Zuerst die heiteren Wahrheiten, dann die traurigen?«
Sie lachte und legte eine Hand an seine Wange. »Ach, komm. Für einen alten Mann bist du noch ganz brauchbar.«
»Wirst du mich füttern, wenn es so weit ist? In acht Jahren wahrscheinlich, so mit vierundsechzig?«
»Okay, Ringo.«
Matzbach trat zwei Schritte zurück. »Furchtbar. Dabei hast du mir irgendwann heilig versprochen, du hilfst mir beim Erschießen, wenn der Übergang von der Infantilität zur Vergreisung mich mitreißt.«
»Willst du jetzt den ganzen Abend in der Küche stehen und einen auf
senilitas praecox
machen?«
Er blies ihr einen Luftkuß zu. »O Heitere, was wäre dein Begehr? Sprich, daß ich es erfülle.«
Sie ging in den Flur, wo sie die Schuhe auszog. »Ein bißchen schnitzen und schaben, vielleicht mit einem Glas Brandy und anmutigen Reden. Danach, wenn wir ausreichend verdaut haben, deine Vergreisung testen?«
Es waren mehrere Anrufe, sämtlich unbedeutend, wie Hermine am nächsten Morgen feststellte. Matzbach, der in einer Sonnenpfütze am Herd stand, wo er eben eine brutzelnde Pfannenfüllung beäugte, handgemahlenen Kaffee mit einer Prise Salz versah und darauf wartete, daß das Wasser zu kochen begönne, verstand kaum etwas vom blechernen Gerede auf dem Flur.
»Yü«, sagte Hermine, als sie hinter ihn trat und das Kinn am schweren Frottee seines Bademantels rieb. »Wollte nur melden, daß alles in Ordnung ist. Dann Zaches, aus der Kneipe, wo man ihm andeutungsweise verraten hat, daß Würselen schon länger nicht gesichtet wurde. Dann noch mal Zaches, ohne Kneipengeräusche, um zu melden, daß Trudi den abwesenden Herrn Würselen nicht vermißt.«
»Würselen, bah.« Matzbach nahm den Schnellkocher, der sich ausgeschaltet hatte, und goß kochendes Wasser in die Emaillekanne. »Klingt wie ein Euphemismus.«
Hermine legte die Arme um seinen Rumpf. Der Bademantel war nicht vertäut, und unterm Frottee trug Baltasar nur seine pelzartige Körperbehaarung. »Euphemismus, was?« sagte sie. »Handgemolken? Fußgezupft? Mundgeblasen?«
»Was auch immer – jederzeit – aua – weg da.«
»Jederzeit? Du übertreibst schon wieder.«
»Vier Spiegeleier, und kein Kommentar bitte, vier Scheiben Bacon, vier Scheiben Toast. Wird auf der Veranda serviert. Recht so, Madame?«
Nach dem Frühstück hüllte Matzbach sich in ein kurzärmeliges Khakihemd und schlabbrige Jeans; er wolle, sagte er, als er aus dem Schlafzimmer zurückkam, seinen Telefonpartnern jenen obszönen Tonfall ersparen, der sich bei minderwertiger Verschleierung immer einschleiche.
»Du seltsames Geschöpf.« Hermine stand in der Verandatür, hob die Arme und hielt sich am oberen Rahmen fest. Sie trug keinen BH; zwischen grünen Shorts und dem unterm Brustkorb verknoteten fliederfarbenen Hemd war viel festes Fleisch zu sehen. »Soll ich deinen Telefonaten barbusig zuhören, damit was auch immer schleichen kann?«
»Dein prangender Nabel allein ...«, sagte er. »Und bist du sicher, daß du dich langweilen willst?«
Sie hob die Schultern. »Ich geh schnibbeln. Mach, wo und was du willst.«
Matzbach schlenderte hinüber in den Philosophentrakt, nahm das dort befindliche mobile Teil der Telefonanlage, drückte den
Intern
-Knopf, dann die 3; als Hermine sich aus dem Atelier mit »ja was denn jetzt schon wieder?« meldete, räusperte er sich und sagte: »Ich kann dich gut leiden. Wollte ich bloß mal bemerkt haben.« Ehe sie antworten konnte, unterbrach er die Verbindung und wählte eine Bonner Nummer; die folgende Konversation war langwierig und umwegig.
Das zweite Gespräch – Dany im Antiquariat in Köln – war eher unergiebig; das dritte kam gar nicht zustande, da Komarek in Wien entweder nicht mehr oder noch nicht reden mochte oder nicht in der Nähe des Apparats war; das Genäsel, mit dem er den Beantworter gespeist hatte, verlockte Matzbach nicht zu längeren Reden. Er hustete zweimal, räusperte sich, bestellte zwei Portionen Frittatensuppe, zu servieren auf der rheinischen Veranda, und beendete seine telefonische Morgenandacht.
Pfeifend und feixend ging er hinüber ins Atelier. »Moritz wollte diese Woche gar nicht arbeiten«, sagte er. »Mit der Aussicht, von dir zu Kaffee und Kuchen geladen zu
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