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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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werden, habe ich ihn bestochen.«
    »Ah.« Hermine hielt ein kleines Messer zwischen den Zähnen; mit einem größeren bohrte sie im Ohr des Holzkopfs.
    »Komischer Q-Tip.« Matzbach ging zur Vitrine hinter dem Podest und deutete auf das große Foto des Geburtstagskandidaten. »Darf ich das mitnehmen? Du mußt den doch inzwischen auswendig kennen.«
    »Was hast du vor?« Diesmal nahm sie das Messer aus dem Mund.
    »Mittwoch vormittag, als wie übermorgen, fahre ich mit ihm nach Köln. Klingt wie ein sehr schräger Fall von verzweifeltem Lustgewinn, was? Mit Morungen nach Köln fahren ...«
    »Was habt ihr vor?«
    »Er will mit mir zu den Kollegen einer Gazette. Die haben da noch einen alten Spezialisten hocken, der die Fotos verwaltet. Moritz behauptet, wenn der Typ hier jemals in der Zeitung gewesen ist, dann finden die ihn. Dann wüßten wir immerhin schon mal, um wen es sich handelt.«
    Hermine nickte. »Nimm es und fahr dahin. Dann kann ich am Mittwoch wenigstens mal ungestört arbeiten.« Sie lächelte, spitzte den Mund und küßte die Luft, die sie von Baltasar trennte. »Und was die Durchsage vorhin angeht – danke gleichfalls.«
    »O bitte. Was nun die Einladung zu Kaffee und Kuchen angeht, hat er mehrere Bedingungen.«
    »O nein.«
    »O doch. Er möchte erstens barbusig bedient werden.«
    »Pah.«
    Matzbach klackte mit der Zunge. »Er hat sich wie üblich ungenau ausgedrückt. ›Barbusig‹ kann den Zustand des Gastes ebenso bedeuten wie den der Kellnerin, nicht wahr? Ich deute es so, daß er oben ohne sitzen und essen und sich bekleckern möchte. Zweite Variante: Er will die Labung verinnerlichen, während ich abwese. Oder, drittens, er will mit seiner derzeitigen Konkubine kommen; wahrscheinlich sollen wir sie begutachten.«
    Hermine steckte das kleine Messer zwischen die Zähne, hob die Arme und wandte sich ihrem Kunstwerk zu. Baltasar stand einen Moment herum, kratzte sich den Kopf, schleuderte dann der Schnitzerin eine Kußhand hin und wanderte zurück in den Philosophentrakt. Er gedachte, einige Zeit mit Aufräumen und Sortieren zu verbringen.
    Aber die Gedanken schweiften. Er stand zwischen Stapeln, starrte aus dem Fenster, ohne viel zu sehen, ließ etwas in sich denken, beteiligte sich schließlich selbst an dieser Operation. ›Hin und wieder, wenn etwas schief liegt‹, sagte er sich, ›sind unangenehme Dinge wie der Blick nach innen nicht zu vermeiden.‹
    Die Frage, was schief lag, stellte er sich nicht; er wußte die Antwort. Das Stichwort hatte Daniela geliefert: Prinzgemahl.
    Dieser Montag war einer jener Tage, an denen er in seiner früheren Existenz stundenlang durch Bonn getigert wäre, um die Eckkneipen zu zählen, Buchläden zu verheeren und andere dringende Dinge zu tun. Vielleicht wäre er danach in seine chaotische Behausung in der Nordstadt heimgekehrt, um sich an der antiken mechanischen Schreibmaschine mit der Beantwortung kummervoller Herzensfragen zu vergnügen. Aber all das war längst vorbei, abgehakt, die bedeutende Illustrierte, für die er Ratschläge unter
Fragen Sie Frau Griseldis
verfaßt hatte, untergegangen; der Erinnerung nachzugehen interessierte ihn auch nicht besonders. Eigentlich gar nicht.
    Er langweilte sich und beschloß, dies gründlich zu tun, zu welchem Zweck er sich aufraffte und weiter Philosophen räumte. Einige Zeit später saß er, ohne zu wissen, wie er dorthin gelangt war, auf dem Puff, der nun unter dem mittleren Westfenster lag, kaute an einem Pelikan-Füller und hielt eine fette Lederkladde auf dem Schoß. Es war ein kostspieliges Ding, von einem Handwerksmeister in Westfalen hergestellt: weiches rotes Leder, darin hundert Blatt handgeschöpftes Bütten, mit feinem Finger und herkömmlichen Geräten gebunden. Dieses teure Objekt gedachte er nach und nach vollzuschreiben, und zwar nicht etwa mit Perlen abendländischer Poesie, sondern mit einer Titelliste: seinen Wunschbüchern, die niemand je schreiben würde. Einige Titel waren geklaut, standen aber dennoch verzeichnet – Dinge wie William Shakespeare,
Love’s Labours Won
; Aristoteles,
Über das Gelächter
; Lope de Vega,
Invektiven gegen Dante
; andere waren freihändig erfunden und reichten vom bloß Albernen (Moritz Goethe,
Sah ein Knab ein Höslein wehn, Höslein auf der Leine
) bis zur exotischen Abstrusität (Schorsch Habermatz,
Der mittlere Durchmesser altgermanischer Penisfutterale
). Wie er feststellte, hatte er, ohne sich dessen entsinnen zu können,
Die Ex-Officio-Anonymität

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