Schmusemord
unwegsam, wie Matzbach später sagte; dies mochte aber auch daran liegen, daß er und Hermine das Gefühl hatten, von dem Journalisten auf vermintes Gelände geführt zu werden, wo er selbst sich auch nicht besonders gut auskannte. Offenbar hatte jemand etwas ganz Feines ausgetüftelt, um Österreichs EU-Mitgliedschaft gebührend zu feiern und richtig einzuleiten. Insgesamt sah es etwa so aus:
Ein paar Bauern legen Weideflächen still und kassieren Prämien für die Stillegung; sie lassen die bisher dort gezüchteten Rinder schlachten und kassieren Schlachtprämien; danach verkaufen sie die stillgelegten Flächen an eine Investmentfirma, die durch Anlegen eines Freizeitparks mit zugehöriger Infrastruktur Arbeitsplätze schafft, den Wert der Gegend allgemein erhöht und dafür kommunale und transnationale Zuschüsse erhält. Inzwischen werden die angeblich geschlachteten Rinder nach Korsika transportiert und dort Bauern im Hinterland verkauft, zu Stückpreisen, die etwa die Hälfte dessen ausmachen, was die korsischen Bauern von der EU an Prämien dafür bekommen, daß sie in einem agrarischen Fördergebiet Kühe züchten/ansiedeln/auf kargen Weiden verhungern lassen.
Komarek kratzte sich den Kopf und begann mit dem zweiten Kapitel: irgend etwas über spanische Mitinvestoren, die den Freizeitpark genutzt hätten, um weitere EU-Gelder zu verbuddeln. Und zwar hätten sie, auf Vorschläge aus Brüssel hin, in der Extremadura jahrhundertealte Korkeichen gefällt, dort zuvor freilaufende Schweine in Massenhaltung genommen (und mit Prämien geschlachtet), anschließend oder gleichzeitig begonnen, auf den freigewordenen Flächen Weizen anzubauen, den zwar in Europa niemand brauche, für den es aber wiederum Prämien gebe, sofern man das komplett überschüssige Getreide nach der Ernte vernichte. Ferner seien ...
»Hören Sie auf«, sagte Hermine erschöpft. »Und das haben Sie alles rausgekriegt?«
»Nein. Ich bin bald ausgestiegen, wie gesagt; ich hatte aber vorher Czerny davon erzählt. Der hat ja seit Jahren frei gearbeitet, während ich da ziemlich fest sitze. Eigentlich hab ich gar nicht genug Zeit für solche Abenteuerromane.«
»Was genau machen Sie eigentlich?« sagte Matzbach.
»Müssen wir das erörtern? Na schön ...« Komarek seufzte und winkte dem Kellner, der ihn ebenso ignorierte wie zuvor Hermine.
Matzbach legte die Hände an den Mund, brüllte »KAFFEE!!!« und grinste, als der Kellner zusammenfuhr. »Manche Leute zünden nicht von selbst, sondern müssen in Gang gesprengt werden«, sagte er. »Weiter, bitte.«
Komarek wartete, bis sie ihre Nachbestellungen aufgegeben hatten. »Zeitung«, murmelte er dann, »und Mitarbeit bei einem dieser neuen privaten Lokalsender. Mehr? Verheiratet, zwei Kinder, im Moment im Urlaub. Und wenn Sie je nach Bregenz kommen, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie Stichworte wie ›Abendessen‹ und ›gewisse Weiterungen‹ für sich behalten könnten.«
»Geschenkt. Also, Sie haben den Anfang rausgekriegt und dann Czerny davon erzählt?«
»Mhm. Und der hat von Wien aus, wo die ›besser informierten Kreise‹ rotieren, weitergeforscht.«
»Zurück zu meinem Portrait«, sagte Hermine. »Czerny hat Ihnen ein Foto gezeigt, und Sie haben den Mann wiedererkannt, als Sie die unfertige Büste sahen?«
»Ja.«
»Das Problem ist nur, daß Sie keinen Namen wissen, oder?«
Komarek grunzte leise. »Ist das ein Problem? Da steht doch in den Papieren einiges – immer abgekürzt, EJ oder so, nicht wahr?«
»Den haben wir dann ja als Elias Jüssen identifiziert, Finanzier und Philanthrop in Köln. Das Problem ist nur, der Mann, der Czerny in Notwehr erschlagen hat, weil Czerny sich an dessen Freundin herangemacht haben soll ...«
Komarek grinste. »Hat er immer gemacht, ja. Und?«
»Der Mann war erstens schwul und hatte überhaupt nichts mit der fraglichen Kellnerin.«
»Ah. Interessant.«
»Und zweitens hat Baltasar ...«
»Wer?« sagte Komarek. »Ach so, Sie meinen den da. Matzbach. Es gibt Leute, die sollten keine Vornamen haben.«
»So was wie Sie«, knurrte Matzbach. »Sprich weiter, Holde; du machst das hervorragend.«
»Danke. Also, dieser Totschläger hat zweitens gar nicht für EJ alias Elias Jüssen gearbeitet, sondern für einen anderen Kölner Magnaten. Dieser andere wiederum ist spezialisiert auf Geschäfte mit Freizeitparks und sportlichem Bodenbelag und derlei.«
Komarek rieb sich die Nase. Er öffnete den Mund, schwieg dann aber, bis der Kellner die
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