Schmusemord
lawyers.
W ILLIAM S HAKESPEARE
Drei Übernachtungen mit gutem Essen und amüsanten Betten; es wurde Montag, bis sie Wien erreichten. Dort weigerte sich Matzbach zunächst, Komarek ihre Ankunft zu melden; er wolle, sagte er, die wesentlichen Dinge vor den unwichtigen erledigen. Zu den wichtigen gehörten die Hofburg, einmal vom Riesenrad im Prater spucken, in einem unrenovierten Kaffeehaus eine Melange trinken und Hermine seufzend begleiten, falls sie bei den Sängerknaben Wallache zu striegeln oder die Lipizzaner zu kraulen gedächte. Andere wesentliche Dinge bedurften der Führung durch einen Eingeborenen, z.B. Komarek, oder waren undurchführbar – Baltasar wollte unbedingt die Schauplätze der einen oder anderen Heldentat von Kottan sehen, mit Ostbahn-Kurt Bier trinken, Oualtinger exhumieren, ein Azorenhoch in Sliwowitz ertränken, sein Wasser auf der Strudlhofstiege abschlagen, Legationsrat Dr. Tuzzi über die hierarchischen Verwerfungen bei subkakanischen Zwergen befragen, all dies innerhalb von sechs Stunden.
Nachdem sie die letzten fünfzig Kilometer alle Varianten debattiert hatten, steuerte Matzbach den BMW zu einem kleinen, eher schäbigen Hotel nahe dem Theater in der Josefstadt; er habe dort, sagte er, vor Jahren schlaflose Nächte ohne Pyjama verbracht und wolle sehen, ob es Änderungen gebe.
»Pyjama?« sagte Hermine. »Irgendwann hast du mir mal erzählt, du hättest zeitweilig Nachthemden getragen. Jemand hat dir doch mal eines geschenkt, ein altes, das noch einen Einnäher hatte aus irgendeinem Männerknast.«
»Wohl, wohl. Das hatte ich damals nicht dabei; aber selbst wenn – ist denn nicht die Nutzung eines Nachthemds gleichbedeutend mit dem Verzicht auf einen Pyjama?«
»O Mann.« Hermine betrachtete die karge Einrichtung des Hotelzimmers. »Na ja, es gibt ein Klo; viel mehr ist nicht zu sagen.«
»Irgendwie finde ich mich angemessen geizig«, sagte Matzbach; er saß auf der Bettkante, da Hermine den einzigen Sessel übernommen hatte. »Wir sind ja nicht hier, um uns im Hotel aufzuhalten; wozu also sinnloser Luxus?«
»Und jetzt? Lipizzaner? Oder dein komischer Legationsrat?«
»Komarek der Legations-Lipizzaner.« Matzbach griff zum Telefon.
Sie trafen sich in einem Baltasar überaus genehmen alten Kaffeehaus, kaum fünf Minuten vom Stephansdom. Komarek wirkte ein wenig vergrätzt, weil die »reichsdeutschen Piefkes«, wie er sagte, Logis gesucht hatten, ohne seine qualifizierte Beratung zu erheischen.
»Ich bin zerknirscht, mein Lieber.« Matzbach grinste breit. »Gelegentlich werde ich darauf verzichten, Ihnen die Füße zu küssen, derlei Gebärden der höflichen Untröstlichkeit aber andeuten. Was machen Sie eigentlich so fern von Bregenz? Wollte ich schon am Telefon fragen.«
»Inneres Exil«, knurrte Komarek. Mit dem Löffel in der Linken rührte er in seiner heißen Schokolade; mit dem rechten Zeigefinger kratzte er Sedimente aus einem unlesbaren Schriftzug, den vor Äonen, als die Tische noch jung waren, jemand hier hinterlassen hatte.
»Das haben Sie doch schon gesagt, als ich gefragt hab, wie ein Wiener nach Bregenz kommt.«
»Ich bin eben immer im Exil. Vertriebener ohne Heimat, wenn Sie so wollen.«
»Sie sollten um Ehrenmitgliedschaft bei den schlesischsudetischen Ostpreußen ersuchen, oder so.«
Hermine stöhnte. »Geht das jetzt die ganze Zeit so?«
Matzbach sagte: »Nein, Geliebte.«
Komarek war es gelungen, die historische Ritzung freizulegen. Er strahlte, sagte »ha!« und deutete auf den Fund. Matzbach verrenkte den Kopf, um lesen zu können.
Ödön ödet
.
»Ob der hier war?« sagte er.
»Wo war der nicht? Der war doch sogar in Berlin, bei den Piefkes.«
»Mögen Sie nicht einfach mal zur Sache kommen, Sie Tschusch?«
Hermines Augen folgten dem antiken Kellner, dessen Gangart, mürbe von der Mühsal des Seins und zerschlurft ob der Schründe des Parketts, zu einem schwebenden Eiern oder watschelnden Verströmen geworden war. Gang und Haltung bargen jene beflissene Unbotmäßigkeit, die den Dienst am Kunden nicht ausschließt, sofern die Transaktion mit der Demoralisierung des Zahlenden endet.
»Na gut.« Komarek hustete rhetorisch. »Morgen früh, elf Uhr, haben wir einen Termin mit dem Anwalt. Wir treffen uns in Czernys Wohnung – beziehungsweise davor; ich hab keinen Schlüssel.«
»Sind die trauernd hinterbliebenen Damen dabei?«
»I wo. Gott bewahre. Nein.«
»Schade. Da ich mich vage an jene erinnere, die ihn damals in meinem bretonischen
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