Schmusemord
letzte Ergänzung endete mit einem abgebrochenen Satz), in der Czerny EU-Richtlinien und spezifische Verstöße dagegen zusammengetragen hatte; insgesamt nicht mehr als Krimskrams.
Metzler, zur Abwechslung stumm, hockte auf der Kante des Doppelschreibtischs und begutachtete die Fundstücke, um zu entscheiden, ob etwas davon die Wohnung verlassen dürfe. Hermine saß in einem zerfledderten Plüschsessel, rieb sich die Schläfen und hielt die Augen geschlossen. Komarek tigerte durch die Zimmer, und Matzbach stand mit verrenktem Nacken vor einem Bücherregal, in dem nichts zu finden war außer Herzmanowsky-Orlando: Gesamtausgabe, Erstausgaben, Sammelbände, Auswahlbände, Zeitungsausschnitte, Bände anderer Autoren, in denen H.-O. erwähnt wurde ...
Plötzlich rief er Komarek herbei, der im ehemaligen Kinderzimmer marodierte.
»Bei Herzmanowsky fallen mir die Zwerge ein, die eine Ohrlöffelschnitzerei betreiben«, sagte er.
Komarek rümpfe die Nase. »So, so.«
»Und dabei überlege ich eben, wenn ich am Computer säße und virtuelle Ohrlöffel benutzte ...«
»Ei jei wie«, sagte Komarek. »Jetzt kommt bestimmt was ganz Superbes.«
»... wo würde ich dann wohl das formatierte Ohrenschmalz lassen?«
»In einer elektronischen Rotzfahne«, sagte Hermine, ohne die Augen zu öffnen.
»Worauf wollen Sie hinaus?«
Matzbach legte Komarek eine Hand auf die Schulter und starrte ihm in die Augen. »Wenn Sie nicht wollen, daß ich Sie Hieronymus rufe, werden Sie mir jetzt sagen, ob Sie in Czernys Computer den Papierkorb durchwühlt haben oder nicht.«
Komarek schnipste. »Lassen Sie mich los, dann hol ich das nach.«
Er verschwand wieder im Schlafzimmer; nach ein paar Minuten des Klickens und Tippens rief er: »Kommen Sie mal; ich hab was gefunden.«
Baltasar ging zu ihm und starrte mit schmalen Augen auf den Monitor, wo ein kurzer Brief flimmerte.
Altes Roß!
Mit getrennter Post schick ich Dir ein paar
Unterlagen, die ich nicht hier aufbewahren
mag. Interessant, was aus alten Kameraden
werden kann, oder? Du hast ihn ja immer
gelobt; ich kann’s beinahe verstehen. Aber
er hat schräge Freunde, könnte man sagen
.
Andererseits: Diese Rheinländer sind ja
alle nicht ganz normal
.
Ich will’s nicht dramatisch machen
,
aber wenn mir was zustoßen sollte, weißt
Du jedenfalls Bescheid. Ich hoffe, Dich zur
Abwechslung in Wien zu finden, wenn ich
von der Reise heimkehre. Gehab Dich wohl
,
und grüß mir la douce!
»Kein Datum«, knurrte Matzbach. »Sieht aber irgendwo so aus, als ob, oder?«
»Ist jedenfalls das letzte, was er in den Papierkorb geschoben hat. Sonst nix Bedeutendes, nebenbei.«
»Ich glaube, wir sollten das ausdrucken und dem Extremjuristen nebenan zeigen. Vielleicht fällt ihm was dazu ein.«
Metzler hatte inzwischen beschlossen, daß die auserwählten Fetzen, wie er sich ausdrückte, ohne Minderung der »hochtrabenden« Ansprüche erbberechtigter Damen entfernt werden könnten.
»Was ist das?« sagte er, als Komarek ihm das noch druckerwarme Blatt reichte.
»Ein Brief, auf dem Computer geschrieben, vermutlich ausgedruckt und abgeschickt, danach in den elektronischen Papierkorb geschubst«, sagte Matzbach. »Hat, wie Sie sehen, etwas mit unserem Anliegen zu tun.«
Metzler nickte. »Sieht so aus. Können Sie auch mitnehmen. Noch etwas?«
»Und wie. Haben Sie eine Ahnung, an wen der Brief gerichtet sein könnte? Und wo der Betreffende wohnt?«
Metzler spitzte die Lippen. »Sowohl als auch.«
»Aha. Wäre es Ihnen denn vorstellbar, daß Sie Ihre angeborene feinfühlige Zurückhaltung über Bord würfen und sich aussprächen?«
»Kommt auf das Bord an.« Metzler rutschte von der Schreibtischkante. »Ich bin müde und hungrig; was immer ich mit Herrn Komarek hinsichtlich einer Honorierung meiner heutigen Mühsal ausgemacht habe, war zu wenig. In der Nähe gibt es ein angemessen teures französisches Restaurant.«
»Ich verstehe, was Sie meinen. Gut. Kommen Sie? Ihr? Du?«
Im Restaurant weigerte Metzler sich, vor dem Dessert profane Wörter zu sagen. Dafür aß er nahezu sakral; beziehungsweise fraß so viel, daß Matzbach sich insgeheim fragte, wieso er sich selbst für einen Gourmand hielt und wo Metzler in seinem geringfügigen Körper den Container zur Aufnahme solcher Mengen haben mochte.
Hermine war ein wenig blaß; sie murmelte etwas von Kopfschmerzen und bat die freundliche Kellnerin um ein Aspirin oder etwas ähnliches. Bis zum Dessert schien die Tablette sich ausreichend
Weitere Kostenlose Bücher