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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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aufgelöst zu haben; jedenfalls kam wieder etwas Farbe auf Hermines Wangen, und sie brach schließlich das spezifische Stillschweigen.
    »Also, Herr Metzler, nachdem Sie sich nun den Bauch vollgeschlagen haben, könnten Sie doch mal ein paar Worte über diesen Brief verlieren.«
    »Küß die Hand, Madame«, sagte Metzler. Er hatte die Serviette mit einem silbernen Clip an seiner Krawatte befestigt und wischte sich nun den Mund mit dem untersten Tuchzipfel. Dann schob er die leere Kaffeetasse von sich, warf einen bedauernden Blick ins ebenfalls leere Weinglas und seufzte. »Ah, ein wunderbarer Clos Vougeot war das; gut ausgewählt, Herr Matzbach. Ahemm. Was aber diesen Brief angeht ...« Er schüttelte den Kopf. »Sie werden es nicht gern hören.«
    »Nach einem guten Essen ertrage ich manches, sogar Juristen«, sagte Matzbach. »Schießen Sie los.«
    »Nicht viel zu schießen, leider. Das dürfte an einen Onkel des guten Albin gegangen sein. Und der ist leider auch schon tot.«
    »Ziemlich sterbefreudige Sippe, das. Aber wenn Czerny ihm was geschickt hat, müßte es sich doch finden lassen.«
    »Schwierig, schwierig. Wen sollte der Empfänger grüßen – la douce?«
    »Irgendeine Irma?« sagte Hermine. »Des alten Oheims letzte Freude?«
    »Ach, leider daneben.« Metzler legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. »Dabei sind wir im richtigen Lokal.«
    »Ah«, sagte Matzbach. »Etwa la douce France?«
    »Sie sagen es. Der tote Onkel hatte ein Anwesen dort, im westlichen Burgund. Morvan, genauer. Offenbar hat Albin ihm etwas dorthin geschickt und gehofft, den Onkel demnächst doch wieder einmal in Wien zu sehen, nicht wahr?«
    »Sie als Sippenanwalt – haben Sie den Onkel gekannt?«
    Metzler nickte. Matzbach mochte es kaum glauben: Der Jurist tupfte eine halbe Träne aus dem linken Augenwinkel.
    »Er war einer meiner besten Freunde«, sagte er leise.
    »Hatte er einen Namen?«
    »Valentin, aber ich habe ihn nur Poldi genannt. Poldi Schmollgruber.«
    »Dann hat er Sie wahrscheinlich Boldi gerufen, oder?«
    Metzler lächelte, schwieg aber.
    »Und Poldi Schmollgruber … wunderbarer Name.« Matzbach schmatzte. »Der ist also auch gestorben?«
    »In Wien, einen Tag nach der Rückkehr aus dem Morvan, ja. Das Herz, wissen Sie. Er hat es mit Wein und Tabak stabilisiert, aber irgendwann läßt die beste Wirkung nach.«
    »Wenn er also fast gleichzeitig mit Czerny gestorben ist …«
    Metzler hüstelte. »Sie sehen das ganz richtig. Als Sippenanwalt, wie Sie gesagt haben …«
    »Sie hüten also auch Schmollgrubers Nachlaß?«
    »Ah nein, was für ein Wort!« Metzler schüttelte sich. »Das ist nur durch einen weiteren Marc de Bourgogne heilbar. Nachlaß! Pfui. Nein, ich verwalte Schmollgrubers Verlassenschaft.«
    »Verlassenschaft …« Matzbach sprach das Wort aus, als hinge davon die Zuteilung eines Sakraments ab. »Verlassenschaft«, wiederholte er. »Wunderbar. Wissen Sie, woran ich dabei denke? Was ich mir unter Verlassenschaft vorstelle?«
    »Sie werden es mir wohl kaum verschweigen, fürchte ich.«
    Hermine kicherte. »Ein herrlicher Tag. So oft habe ich dich noch nie verblüfft gesehen, Dicker.«
    »Verlassenschaft! Das ist so: Ein Dampfer geht unter, im Pazifik; nur eine Frau und ein Mann überleben, erreichen eine einsame Insel, und dann kommt der Rettungshelikopter vorbei, hat aber nur Platz für eine Person. Die Frau fliegt ab – und das, was der Mann jetzt empfindet, das ist Verlassenschaft.«
    »Ihren poetischen Blödsinn in allen Ehren«, sagte Komarek, »aber was ist mit Schmollgrubers Verlassenschaft?«
    »Albin war sein einziger lebender Verwandter. Abgesehen von ein paar Andenken für Freunde – ein Buch, ein goldener Aschenbecher, handgeschnitzte Ohrlöffel, so etwas – hat Poldi alles dem lieben Neffen vermacht.«
    »Das heißt, es geht an die bezaubernden Damen?« sagte Matzbach.
    Metzler lächelte Hermine zu. »Um Vergebung, gnädige Frau, und Anwesende sind selbstverständlich nicht gemeint, aber als mit Erbgängen befaßter Jurist gerate ich bisweilen in die Gefahr, zum Verfechter alter indischer Gebräuche zu werden.«
    »Witwenverbrennung?« Matzbach grinste. »Lassen Sie uns doch mal kurz darüber reden. Nicht, daß man nicht auch Witwer entsorgen könnte, aber … Gesetzt den Fall, man könnte Czernys Ex-Damen ignorieren. Gesetzt ferner, ich käme zu Ihnen, um von finsteren Umtrieben im fernen Rheinland zu berichten und Sie zu bitten, mir Zugang zu möglicherweise relevanten

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