Schmusemord
Papieren in Schmollgrubers, ah, Verlassenschaft zu gewähren.«
»Moment«, sagte Hermine. »Wieso sind wir eigentlich sicher, daß der Onkel den Kram in Frankreich gelassen hat?«
Metzler wackelte mit dem Kopf. »Also, ich habe bei ihm nichts derartiges gesehen, als ich eine erste Bestandsaufnahme gemacht habe. Außerdem habe ich ihn vom Flughafen abgeholt, als er kurz vor seinem Tod zurückgekommen ist, und da hatte er nur eine kleine Reisetasche.«
»Also ist das Zeug in seinem Haus in Frankreich.« Komarek rieb sich die Hände und lächelte schief. »Ich stelle mir gerade vor, er hätte vielleicht eine alte Bekannte in, was weiß ich, Barcelona, und der hätte er den Kram weitergeschickt. Die wiederum hat ein Landhaus auf Ibiza. Sie können ganz schön rumkommen, wenn Sie alles abfahren wollen. Mann, Mann.«
»Was ich in einem solchen Fall täte?« Metzler lehnte sich zurück und spielte mit dem frisch gefüllten Schnapsglas. »Ich glaube, ich würde Ihnen sagen, daß das Haus so und so heißt und da und da liegt, daß ich einen Schlüssel habe und daß wir uns jetzt über die Konditionen unterhalten können, zu denen ich bereit bin, meine hiesigen Obliegenheiten zu vernachlässigen und Sie ins Morvan zu begleiten.«
»Was unter den obwaltenden Umständen unmöglich ist.«
»Sie sagen es.«
»Könnte man mit den Damen reden?«
»Mein lieber Herr Matzbach, Sie können es gern versuchen. Sie können aber auch« – Metzler zögerte, schien nach einem passenden Vergleich zu suchen – »in einen Käfig klettern, in dem sich mehrere Tigerinnen um ein fettes Stück Fleisch balgen, und denen sagen, Sie würden das Filet gern mal kurz untersuchen.«
»Kann ich Sie morgen erreichen, wenn mir noch was einfällt?«
Metzler zog die Brieftasche, entnahm ihr eine Visitenkarte und reichte sie Matzbach. »Vormittags habe ich Termiten; ah, Termine; ab zwei bin ich in der Kanzlei.« Er leerte sein Glas und stand auf. »Im übrigen war es mir ein Vergnügen. Über die Rechnung unterhalten wir uns noch, Herr Komarek.«
7. Kapitel
Ein braver Mann! Ich kenn ihn ganz genau:
Erst prügelt er, dann kämmt er seine Frau.
J OHANN W OLFGANG G OETHE
Mittwochs erwarteten sie Komarek kurz vor Mittag in einem anderen alten Kaffeehaus, wo ein hurtiger Kellner waltete. Hermine entschied sich für einen Stilbruch (wie Matzbach fand), trank Tee und blätterte in Tageszeitungen. Baltasar hatte unterwegs in einer Trafik seine Zigarrenbestände ergänzt, nuckelte an einer Cohiba, schlürfte heißen Kakao und betrachtete sein Innenleben.
Im Prinzip tat er letzteres ungern; die Beschäftigung mit dem Ego hielt seiner Ansicht nach die meisten Menschen davon ab, sich mit dem interessanteren (und größeren) Teil des Kosmos zu befassen. Er ertrug sich nun schon 56 Jahre lang, und je mehr er über sich erfuhr, desto weniger wollte er sich wirklich kennenlernen. Die unter dem Titel
Selbsterforschung
betriebenen Manöver kamen ihm vor wie mindere Formen des Gründelns, vergleichbar der Tätigkeit des Hundes, der den abgelegten Haufen beschnüffelt.
An dieser Stelle seines Denkens bellte er leise; Hermine streifte ihn mit einem tadelnden Blick und versank wieder in der Zeitungslektüre. Zwei Tische weiter schaute ein dunkelhaariger Mann kurz auf, ohne sonderlich irritiert zu wirken, und las dann weiter. Er trug ein Nessoshemd mit Labyrinthmustern; das Buch, das ihn zu fesseln schien, hieß
Morbidezza Borgiana
. Nicht weit von ihm saßen zwei Biertrinker mit Kniebundhosen, Trachtenjacken, Schlapphüten und gespornten Stiefeln; sie hatten einem fetten, schwitzenden Schnauzbart relativ laut relativ blutrünstige Anekdoten aus der Unterwelt von Mogadiscio erzählt. Einer miaute; der andere winkte dem Kellner und rief: »Die Marinekavallerie dürstet!«
Matzbach betrachtete Hermine, die las und offenbar etwas Amüsantes gefunden hatte, denn sie lächelte. Komareks Eintreffen bewahrte ihn vor Fragen oder Spekulationen zur Lektüre.
»Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt«, sagte er.
»Gehen Sie mir weg mit Schiller.« Komarek ließ sich auf den freien dritten Stuhl fallen. Er zog ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus der Brusttasche des Hemds und schob es Matzbach hin. »Da. Sehen Sie, wie ich für Sie sorge?«
»Ich bin irgendwie unheimlich betroffen, wie Sie sich so voll einbringen, Mann; echt geil.« Er entfaltete das Blatt.
Hermine legte die Zeitung beiseite. »Das ist ja furchtbar«, sagte sie. »Reicht vor jedem halbintelligenten Richter
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