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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ich geh ins Wasser. Kannst du dir anrechnen.«
    Als sie die Badezimmertür hinter sich geschlossen hatte, rief Matzbach die Kanzlei Arcimboldo Metzler (Dr. iur.) an. Irgendwie war er nicht überrascht, daß er statt einer Sekretärin oder sonstiger Mitarbeiter gleich Metzler selbst am Apparat hatte.
    Nach kurzer Begrüßung sagte der Anwalt: »Nun, welche Schändlichkeiten treiben Sie um, Herr?«
    »Keinerlei Schändlichkeiten, nur minderwertige Neugier. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich? Wunderbar; danke. Was mich bewegt ist die Frage, wer eigentlich Valentin alias Poldi Schmollgruber war. Was hat er gemacht, wie kam er an das Haus in Frankreich, hatte er Geld, war er ein mieser Charakter oder ein guter Mensch, derlei.«
    Metzler schwieg eine Weile; dabei schien er auf einer substanzlosen Masse herumzukauen. Jedenfalls klang es so. Schließlich hustete er mehrmals, nachdrücklich.
    »Also.« Mehr nicht.
    Baltasar hustete ebenso nachdrücklich, wie um zu demonstrieren, daß auch er dieses rhetorischen Verfahrens mächtig sei. »Sie brauchen mir ja keine schmierigen Familiensocken zu übergeben«, sagte er. »Nur, verstehen Sie, ohne ein Minimum an Informationen komme ich nicht weiter. Und was nützliche Informationen sind, weiß ich erst hinterher.«
    »Was wollen Sie genau wissen?« Es klang ein wenig gequält.
    »Eine Kurzbiographie, zum Beispiel. Eine dumpfe Ahnung hinsichtlich der Ausmaße von Schmollgrubers Verlassenschaft. Wieviel gibt es da für die Damen zum Zanken? Dann der kryptische Verweis von Czerny – alte Kameraden, Besuch im Rheinland, derlei.«
    Metzler summte; plötzlich sagte er sehr energisch: »Haben Sie was zum Schreiben? Gut. Dann hören Sie zu. Und … ich werde diese Verstöße gegen Diskretion und Datenschutz nicht wiederholen. Mit dem, was ich Ihnen jetzt sage, müssen Sie auskommen, klar?«
    Er redete fast eine Viertelstunde lang, zunächst mit Pausen, später immer flüssiger; Matzbach bewunderte die gestochene Diktion samt korrekten Konjunktiven in indirekter Rede, notierte und bedankte sich schließlich artig.
    Valentin Schmollgruber, Jahrgang 1921, entstammte einer nicht sehr fortpflanzungswilligen Sippe. Seine um zwei Jahre ältere Schwester hatte relativ spät einen Menschen namens Czerny geheiratet und mit diesem einen Sohn gezeugt: Albin. »Voilà tout«, wie Metzler sagte. Eine Schwester, ein Neffe, aber zahllose Freundschaften, die sich in Kaffeehäusern zutrugen. Kein Hagestolz, aber auch keine gefährlichen Liebschaften; Schmollgruber sei irgendwie einfach nicht der Typ gewesen. Er habe ein gutes Gymnasium besucht (Metzler nannte den Namen; da dieser Matzbach nichts sagte, verzichtete er auf Notierung), sei aber eher aus Unlust denn Unfähigkeit nicht zur Matura gelangt – Baltasar notierte
kein Abi
. Zwei Jahre Buchhändlerlehre, dann sammelte ihn das aufgeblähte Vaterland zu den Fahnen; hier folgten etliche knapp skizzierte Kriegsanekdoten, die sich auf den Balkan, Griechenland, ein Lazarett und schließlich Sondereinsätze in Frankreich bezogen. Welcher Art diese Sondereinsätze gewesen seien, habe Poldi bei aller Redseligkeit immer für sich behalten; und Metzler merkte an, es gebe gewisse Vorfälle in der großdeutschen Geschichte, von denen man lieber nichts Genaues wissen wolle, »nicht wahr?« Nach dem Krieg habe Schmollgruber einen kleinen Laden aufgemacht – Numismatik und Philatelie. Im Lauf der Zeit sei das Unternehmen gewachsen, geschrumpft, wieder gewachsen; mit Erreichen eines Zustands der »präsenilen Lethargie«, weniger altersdenn gesundheitsbedingt, habe Schmollgruber das Geschäft verkauft und hinfort mit Genuß privatisiert. Ein guter Mensch, zuverlässiger und hilfsbereiter Freund, diskret, in den letzten Jahren etwas hinfällig; viel mehr sei nicht zu sagen. Und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens habe Schmollgruber die Freundschaft nicht bis zur Vertraulichkeit getrieben, die bekanntlich Feindschaften zeuge; und zweitens tangiere jede weitergehende Information jene Dinge, die durch einen Bannkreis anwaltlichen Schweigens geschützt seien, an welchem Sekanten anzubringen als ungebührlich zu gelten habe. Nein, er wisse weder, woher das
vulgo
Startkapital für die Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach dem Kriege gekommen sei, noch in welchem Jahr genau Schmollgruber damit begonnen habe; es könne ’47 gewesen sein, aber auch früher oder später; noch seien ihm Extravaganzen wie Freundschaften mit Rheinländern oder anderen Exoten

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