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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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frühes Glas Aligoté schlürfte, um sich wider den Tag zu festigen, daß seine Frau zum Flohmarkt nach Beaune gefahren sei.
    »Die Gnädigste interessiert mich eigentlich kaum«, sagte Baltasar, »aber was hältst du von einem Flohmarkt, bevor wir uns wieder ernsten Dingen widmen?«
    Hermine hatte keine Einwände; bei strahlendem Sonnenschein mieden sie die Route Nationale und blieben, solange es ging, auf Nebenstraßen durch Weinfelder und Dörfer.
    Auf dem Flohmarkt vergeudeten sie etwa eine Stunde, um von Stand zu Stand zu schlendern, Dinge anzufassen und wegzulegen, hier ein AH und dort ein OH zu sagen und sich schließlich von etlichen Francscheinen zu trennen. Baltasar wurde von Hermine mit dem gräßlichsten Schlips belehnt, den beide je gesehen hatten (ein seidenes Monster in Orange, Ocker, Indigo, Windelgold und Rotzgrün). Zum Trost, um die Tränen zu trocknen, erhielt er einige wunderbar großkarierte Taschentücher mit so scharfen Farbkanten, daß man sich daran die Nase aufschneiden konnte, und ein silbernes Zigarrenetui für die Brusttasche. Er revanchierte sich mit einem Speckstein-Nashorn, das an heftiger Erektion litt, und einem Holzkasten, den Hermine erst im Auto öffnen durfte.
    Sie wartete damit, bis sie Beaune verlassen hatten; dann packte sie sich die flache Kiste auf den Schoß. »Na, was ist es denn? Könnte ein Schachspiel sein …«
    Dann sagte sie halblaut: »Oh.« Vorsichtig hob sie eines der Objekte, dann ein zweites. Es war ein Satz alter Wurfmesser, sehr spitz und sehr scharf, mit Elfenbeingriffen, in die feine und bezaubernd obszöne Figuren geritzt waren, meist paarweise.
    »Das ist wunderschön«, sagte sie. »Ich habe lange nicht mehr werfen geübt. Aber womit habe ich das verdient?«
    »Das ist, weil du mich erträgst. Zur Optimierung der gelegentlich fälligen Anwürfe.«
    Sie legte die linke Hand auf seinen Oberschenkel. »Schau mal. Das ist doch ein guter Vorschlag, oder? Apropos ertragen.« Sie hielt ihm einen der Griffe vor die Augen.
    »Weib«, sagte Baltasar, »ich weiß die Anregungen zu schätzen, aber solche Gedanken erschweren das Fahren. Oder andere Formen der Fortbewegung. Nimm die Hand da weg.«
    Der freundliche ältere Herr nannte sich Modeste Corgoloin und bewohnte eine weitläufige Altbauwohnung (Matzbach nannte sie bei sich »schwelgerisch«) in der Nähe des Palasts der Herzöge von Burgund. Er zelebrierte hauchdünnen Tee in hauchdünnen Tassen, und während Hermine am Fenster stand, wo sie bis zu den Knöcheln in einem feisten Teppich versinken und auf einen hübschen Platz schauen konnte, entzückte Matzbach den Résistance-Spezialisten durch Ausrufe des Entzückens ob der zahllosen Lederbände in Nußbaum- und Kirschregalen.
    Die Informationen, die Baltasar sich erhofft hatte, wurden schnell und ohne große Sucherei geliefert; Corgoloin sagte, das sei im Prinzip alles zugänglich, sofern man Zugang habe. Er wanderte an den Regalen auf und ab, zog dieses Buch heraus und stellte jenes zurück; dabei erging er sich ausgiebig über die Karriere des Mannes, dessen Namen Matzbach kannte, seit er ein Foto gesehen hatte, auf dem Elias Jüssen vor einem Bücherregal stand.
    Armand François Martin du Plessis war von altem Gelde, das die Hemdbrüste gestärkt hatte, unter welchen vermutlich eher rotes denn blaues Blut floß. Die Sippe schien zu keinem Zweig der tausend Du-Plessis-Stämme zu gehören und hatte auch nie Verwandtschaft mit Richelieu behauptet. Industrie (vor allem Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert), koloniale Investitionen, billige Aktien (paketweise), die nach Jahrzehnten plötzlich kostbar wurden: Dies und anderes gleicher Art hatte der Sippe zu republikanischem Adel verholfen und den Wohlstand gemehrt, der durch Geschäfte mit der Heeresversorgung im Ersten Kaiserreich begründet und durch rechtzeitige Loyalität gegenüber den heimkehrenden Bourbonen gefestigt worden war. Gerüchte über von einem du Plessis beseitigte Regimentskassen voller Napoléons d’Or tauchten auf und verschwanden, ohne bedeutende Münzmengen zu zeitigen. Irgendwann kam eine halbe Bank dazu, und die Sippe entwickelte einen Hang zu vorteilhaften Ehen. Diese wieder führten zu vielerlei Latifundien in allen Teilen Frankreichs; und diese Schlösser, Burgen, Landhäuser, Herrensitze machte der im Ersten Weltkrieg dekorierte Armand du Plessis während der deutschen Besetzung beiden zugänglich: den Besatzern und der Résistance.
    »Das heißt«, sagte Monsieur Corgoloin, »besetzt

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