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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bekannt.
    Matzbach sortierte die fliegenden Blätter, auf denen er während des Telefonats Hieroglyphen abgesondert hatte. Im Prinzip, sagte er sich, müsse man wohl davon ausgehen, daß Metzler all jene Kenntnisse, die zu haben er leugnete, durchaus besaß.
    »Kein Wiener ist mit einem anderen Wiener befreundet, ohne zu wissen, ob dieser Freunde im Rheinland hat oder auf Neuguinea. Es gibt keine Hilfe«, murmelte er.
    Langsam faltete er die Zettel zusammen, als ob es ihm bei schnellem Falten an jenen Offenbarungen, zu denen es ohnehin nicht kam, noch intensiver gemangelt hätte. Er schob die Kritzeleien in die Innentasche seiner Wind-und-Wanderjacke; dann stand er auf, ging zur Badezimmertür, klopfte sittsam, öffnete sie einen Spalt weit und sagte:
    »Ei, Gespielin, schwimmst du denn auch wonniglich?«
    Hermine planschte zur Antwort und murmelte etwas Unverständliches; es klang so, als wolle sie ihm bedeuten, daß weitere Anreden dieser Art sie zum Ertrinken bringen könnten.
    Baltasar schloß die Tür wieder und ging zum Telefon. Nach kurzem Suchen fand er sein Adreßbuch, wählte ein Hotel in Frankreich an und erkundigte sich, ob für den morgigen Donnerstag dort noch ein Bett und ein Tisch zu haben seien. Zu seinem Glück, sagte Monsieur, habe eben ein Gast eine Reservierung abgesagt. Matzbach dankte, bekräftigte seinen Reservierungswunsch und legte auf.
    Danach rief er Yü an, der nichts Neues zu berichten hatte, außer Grüßen von Nomey Tshato. Der Aschantifürst, sagte er, sei im Moment des Kochens überdrüssig, stehe aber sozusagen Keule bei Fuß, falls es Bedarf gebe. Yü gab ihm ein paar Nummern, unter denen er und Dany möglicherweise in den nächsten Tagen erreichbar seien – falls die Vorsicht es ratsam erscheinen lasse, nicht unter bekannten Adressen zu verweilen.
    Noch ein Anruf in Bonn, im Büro für allgemeine Desinformation. Morungen wollte eben ein läßliches Mittagessen einnehmen, war aber bereit, vorher noch kurz etwas zu suchen: eine Adresse samt Telefon. Es gebe, sagte er, in Dijon einen alten Kollegen, früher einmal für Radio France Inter unterwegs, der sich mit der Résistance auskenne.
    Matzbach rief in Dijon an, erreichte wie durch ein Wunder auch diesen erhofften Gesprächspartner und verabredete sich mit ihm für den Freitag, gegen Mittag. Nachdem er zum letzten Mal aufgelegt hatte, stand er einen Moment reglos, lauschte in sich hinein; dann grinste er breit, zog sich aus und ging ins Bad, diesmal ohne anzuklopfen.
    »Sind Sie die Titanic?« sagte er. »Ich bin der Eisberg.«
    »Na endlich.« Hermine winkte. »Ich dachte schon, das wird nichts mehr. Du hast aber die Bezeichnungen vertauscht.«
    »Inwiefern?«
    »
Du
bist die Titanic; Eisberge haben keinen Bugspriet.«
    In Innsbruck folgte einem gründlichen Essen ein erholsamer Schlummer; den ganzen Donnerstag fuhren sie, mit kurzen Pausen, aber ohne unziemliche Hast. Die einzige längere Unterbrechung ergab sich in Zürich, wo Matzbach Hermine das Steuer überließ. Sie drehte Runden in Bahnhofsnähe, während er in die Unterwelt stieg, um Zigarren zu kaufen.
    Kurz vor der Stunde des (unterwegs ausgiebig beschwärmten) Abendessens erreichten sie Puligny-Montrachet. Das Mahl begann mit
oeufs en meurette
, wiewohl Baltasar behauptete, keinen Anlaß für verlorene Eier zu sehen; dafür trank Hermine ihm mit dem Bâtard arg demonstrativ zu.
    »Wie hattest du diese Aktion genannt?« sagte sie. »Unternehmen Schmusemord?«
    »Ohne Unternehmen, aber das können wir ja beifügen; ich danke Euch für die freundliche Ergänzung, Holdeste.«
    »Und? Hast du das Gefühl, daß bis jetzt irgendwas bei deinen Irrungen herausgekommen ist?«
    »Wachteln auf Weinsauerkraut«, sagte Matzbach. »Zander. Die köstlichen verlorenen Eier nicht vergessen. Ein bißchen totes Kalb kommt nachher noch dazu. Ein extrem schräger Anwalt in Wien. Kaffeehäuser. Nicht zu vergessen Zigarren aus Zürich – ›
There’s peace in a Larrañaga, there’s calm in a Henry Clay
‹.«
    »Komm mir jetzt nicht mit ›
And a woman is only a woman, but a good cigar is a Smoke
‹. Sondern« – sie deutete mit dem Messer auf seine Brust – »gib mir eine anständige Antwort.«
    »Ach. Anständig?« Baltasar legte sein Gesicht in grämliche Falten. »Es ist in diesen würdelosen Zeiten nicht tunlich, Anstand walten zu lassen; es brächte dies nur Ungemach über das aschebeladene Haupt des Unholds.«
    »Unhold? Ah, der Herr befleißigt sich der Selbsterkenntnis!

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