Schmusemord
wurden die Gebäude ohne sein Zutun, natürlich – als Offiziers- und Stabsquartiere. Nicht alle, aber doch einige. Die übrigen benutzte er selbst, sofern sie nicht Sitz verschiedener Firmen waren, in denen er die Hände hatte. Und die, die er selbst benutzte, standen dem Widerstand zur Verfügung; und über die besetzten Bauten gab es dank alten Personals und in der Nähe wohnender Bauern immer gute Informationen.«
»Was könnte denn einen deutschen Offizier so sehr interessieren, daß er später Bücher über Monsieur du Plessis hortet?«
Corgoloin lächelte. »Das müßte Monsieur Jüssen sein, nicht wahr?«
»Er ist also nicht unbekannt? Ah, ich vergaß, die Republik hat ihn sogar ausgezeichnet.«
»Wegen besonderer Verdienste, ja.«
»Wie sehen die aus?«
»Darüber gibt es widersprüchliche Angaben.« Corgoloin zwinkerte. »Sollten Sie von Monsieur Jüssen mehr erfahren, wäre ich Ihnen für Informationen verbunden.«
Matzbach breitete die Arme aus. »Es wird mir eine Ehre und ein Vergnügen sein … Aber bleiben wir noch einen Moment bei dem, was wir wissen.«
Corgoloin nickte. »Gern. Du Plessis hat in den Gebieten, in denen er unbeaufsichtigt arbeiten konnte, die Résistance koordiniert. Dann wurden seine Verbindungsleute gejagt, gefaßt, hingerichtet, aber irgendwie ist es den Deutschen, pardon, Monsieur, nicht gelungen, du Plessis selbst zu fassen.« Er machte eine kleine Pause, dann sagte er: »Er hat sich nie dazu geäußert, aber man nimmt an – ›man‹ heißt in diesem Fall: die Biographen –, daß Monsieur Jüssen mit seinen glänzenden Französischkenntnissen und seiner alten Liebe zu Frankreich beschlossen hat, die Sondereinheit, der er angehörte, ein wenig … subversiv zu verwenden. Er mag sich gesagt haben, daß der Krieg ohnehin verloren sei. Und, wissen Sie, du Plessis ist dann zu einer Zeit gestorben, als man über bestimmte Dinge noch nicht so offen redete wie heute.«
Matzbach stellte noch einige Fragen, unter anderem zu den alten Liegenschaften der du Plessis; schließlich bedankte er sich herzlich und versprach, alle möglicherweise auftauchenden neuen Informationen sofort an Monsieur Corgoloin weiterzureichen.
»Und nun«, sagte er, als sie das Haus verlassen hatten, »ein halbes Königreich für ein Telefon.«
Hermine prustete. »Pferdeäpfel sind inzwischen seltener. Wer war das, der sich nie ein Handy anschaffen wollte?«
»Erst, wenn man es mit ä schreibt«, knurrte er. »Friseur mit ö und Restaurant mit ng. Willst du solange Kaffee trinken?«
»Immer und mit Freuden; ich werde dabei versuchen, aus alledem einen roten Faden zu machen.«
Er küßte lautstark ihre rechte Hand. »Wenn es dir gelingt, laß es mich wissen, Edle; ich bin da noch sehr verworren.«
»Wie üblich?«
»Schlimmer.«
Er geleitete sie zu einer Brasserie, wo sie mit mehreren Portionen Grand Crème den Tee zu bekämpfen gedachte. Als er vom nächsten Telefonkiosk von France Télécom zurückkehrte, hatte er einige Dinge zu berichten. Hermine lauschte schweigend und interessiert den komplizierten Dingen, die er unter der Überschrift »zuerst die gute Nachricht« referierte. Der Hacker in Bonn hatte gründlich zugeschlagen; er werde dafür auch eine gründliche Bezahlung haben wollen, vermutete Matzbach düster. Er starrte auf den Zettel, auf dem er einiges notiert hatte, und ratterte Namen und Summen herunter.
»Moment, Moment.« Hermine hob abwehrend die Hände. »Damit kann ich gar nichts anfangen. Kannst du das mal zusammenfassen oder erläutern? Oder beides?«
Matzbach ächzte. »Es läuft darauf hinaus«, sagte er, »daß von den karitativen Ausgaben der letzten Jahre, die wir Jüssen nachsagen, nicht eine von einem uns bekannten Konto überwiesen wurde. Es fanden zu den entsprechenden Zeiten auch keine Barabhebungen statt. Das heißt, alle Spenden und sonstigen milden Gaben Jüssens an wen auch immer sind nicht nachweisbar.«
»Und was ist daran gut?«
»Der zweite Teil. Drei dieser ... sagen wir mal einfach Leistungen, ja? Also, drei davon sind von Geschäfts- oder Privatkonten eines Menschen gekommen, der Evergislus heißt.«
»Lanzerath?«
»Genau.«
»Das paßt aber doch überhaupt nicht!«
»O wie allzu wahr. Und die schlechte Nachricht stammt von Yü. Trudi wurde in der Kneipe gekündigt, einfach so, und Zaches ist verschwunden. Machst du dir da einen Reim drauf?«
»Ungern.«
Matzbach bestellte einen heißen Kakao, als endlich eine Kellnerin erschien. »Den brauch
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