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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ich jetzt, gegen das Dasein«, sagte er. »Lanzerath ist karitativ tätig, was aber Jüssen angerechnet wird. Trudi fliegt, Zaches ist futsch, Komarek meldet sich nicht, der famose Arcimboldo ist unauffindbar.«
    »Brauchst du die denn für irgendwas?«
    »Zur Vorbereitung der nächsten Schritte. Wir werden also noch eine Etappe einlegen; irgendwie mag ich nicht in den Bergen des Morvan herumkraxeln, ohne vorher zwei oder drei Dinge geklärt zu haben.«
    »Etappe wo?«
    Plötzlich konnte er wieder grinsen. »Camelot brennt«, sagte er, »der Weg nach Lyonesse ist von Autowracks verstopft, also fahren wir nach Avallon.«
    Dort gab es, wie sie am späten Nachmittag feststellten, neben der Kathedrale und sonstigem alten Gemäuer auch ein paar ansprechende Lokale und Hotels. Sie vereinbarten einen Treffpunkt; Hermine wollte sich gemächlich zu diesem hintummeln, und Baltasar begab sich aufs Hotelzimmer, um zu telefonieren.
    Komarek, endlich erreichbar (wieder im Erstexil Bregenz), versprach hektische Recherchen und Rückruf irgendwann, vermutlich nachts; nein, Metzler habe er nicht gesehen, bevor er Wien verließ, werde sich aber erkundigen, aber dieser etwas über du Plessis wisse – falls Don Arcimboldo bereits sei, darüber zu sprechen. Yü weste ab, ließ aber durch Dany ausrichten, Zaches sei wieder aufgetaucht und habe berichtet, Lanzeraths Leute führen ungestüm durch die Gegend, meist zu zweit, bewaffnet, mit Benz und länglichen Gesichtern. Über den Grund für Trudis Entlassung könne auch der Zwerg nur spekulieren.
    Nachts rief Komarek wie versprochen zurück. Metzler, sagte er, sei übers Wochenende weggefahren, ohne dem gesprächigen Nachbarn zu sagen wohin. Und Unterlagen über jene Transaktionen, von denen Matzbach gern mehr gewußt hätte, seien so schnell nicht zu beschaffen – nächste Woche, vielleicht, oder nächstes Jahr.
    Am Samstag fuhren sie von Avallon aus ohne Eile nach Süden, mit diversen Schlenkern. Irgendwo nördlich von Lormes übersahen sie vermutlich ein Straßenschild; plötzlich passierten sie die Hinweistafeln, auf denen die Städtepartnerschaften der Stadt zu lesen waren. Baltasar ließ einen Moment das Steuer los und klatschte.
    »Was ist los?« sagte Hermine. »Daß du dich verfahren hast, ist doch kein Grund für Applaus. Porcmignon ist weiter östlich.«
    »Wohl, wohl; aber das Schicksal beschert mir dafür eine Freude.«
    »Bitte?«
    »Die Partnerschaften«, sagte er.
»L’orme
ist die Ulme, und Lormes ist mit Ulmen in der Eifel liiert; da haben sich ausnahmsweise mal ein paar Leute was gedacht. Und fremder Leuts Dunk rührt mich bisweilen zu Tränen der Begeisterung.«
    Als sie den Ort wieder verlassen hatten, diesmal auf der richtigen Straße, sagte Hermine versonnen:
    »Lorme, ohne s am Ende und ohne Apostroph ... Da war doch was, oder?«
    »Ah.« Baltasar grinste. »Eine jener Lehnbezeichnungen für die Taschenguillotine, mit der ich Zigarren köpfe. Wieso?«
    »Wo kommt das denn her?«
    »Ungefähr von hier. Gab’s aber auch schon in der Antike. Ich glaube, der große Skylax, der für den Perserkönig Dareios Landkarten angelegt hat, hatte so was schon.«
    »Abermals: bitte?«
    Die Lorme, führte Matzbach aus, sei ein Gerät aus zwei Hartholzwalzen mit löffelartigen, hochscharfen Schneiden am vorderen Ende; hinten befinde sich eine sogenannte Zwitterkurbel, die für gegenläufige Rotation der Walzen sorge. Damit habe man in früheren Zeiten allzu lautstarke Troubadoure entkernt.
    »Gah«, sagte Hermine; sie kicherte. »Und weiter?«
    »Die Dinger wurden natürlich exportiert, zum Beispiel nach Arabien, wo immer Bedarf an so etwas herrschte. Man findet heute noch manchmal eine Lorme im Sand von Oman; und da es dort unten kaum Holz gibt, von Hartholz ganz zu schweigen, sind die Dinger nicht nur technische Antiquitäten, sondern natürlich höchst kuriose und begehrte Artefakte. Es wird überliefert, daß Skylax eine Lorme benutzte, um seine Papyrosrollen zu beschweren; ich wette, der eine oder andere Eunuch, der an dem Tisch vorbeikam, hat bei diesem Anblick leise geseufzt.«
    Hermine seufzte leise.
    Um Porcmignon zu erreichen, mußten sie die Hauptstraße (Lormes – Brassy) verlassen und ein paar Minuten nach Norden fahren. Ein Stückchen östlich des Orts, den sie haltlos durchquerten, ohne kleine Schweine oder andere fesselnde Dinge zu sehen, ging links eine Nebenstraße ab, die sich nach wenigen Metern in drei engere, asphaltierte Straßen spaltete. Jede von ihnen

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