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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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seine Vorderansicht bot. Er hatte das scheußliche Geschenk mit einem perfekten Windsor-Knoten um den nackten Hals gebunden; die Krawatte reichte auf dem lachsfarbenen Polohemd abwärts bis zum Nabel und beteiligte sich an Gehakel und Verstrickerei.
    Es war fast dunkel, als sie den Waldrand hinter dem Haus erreichten. Zwischen ihnen und La Bohème standen, von der unterhalb verlaufenden Straße aus nicht zu sehen, ein schwarzer Mercedes und ein beiger Peugeot.
    »Kein Licht im Haus«, flüsterte Hermine. »Ob die einen Spaziergang machen?«
    »Ich nehme eher an, die sitzen da und warten auf uns.«
    »Und jetzt?«
    »Weißt du was?«
    Sie ächzte leise. »Wer ist denn hier der Indianer?«
    »Na gut. Laß mich mal kurz denken.«
    Das Haus war quadratisch, etwa achtmal acht Meter im Grundriß; es mochte einmal ein Jagdsitz gewesen sein und sah deutlich älter aus als die Ferien- oder Wochenendhäuschen in diesem weitläufigen Hangwald. An der zum See blickenden Ostseite und nach Süden umgab eine überdachte Holzveranda das Erdgeschoß. Der Eingang – ein Portal mit windabweisender Verglasung vor der eigentlichen Tür – lag nach Norden; dort war wohl auch der gewöhnliche Parkplatz, und dort gab es Abfallbehälter und saubere Stapel Kaminholz. Die Rückseite am Waldrand war blind bis auf drei kleine, relativ hoch angebrachte Fenster; Matzbach nahm an, daß es sich um Toilette, Bad und vielleicht eine Art Küchenabzug handelte. Wahrscheinlich gab es mehrere Türen zur Veranda; das war aber im Restlicht und von seiner Position aus nicht zu sehen. Die obere Etage enthielt wohl etliche Schlafzimmer; nach hinten schauten drei große Fenster.
    Matzbach kalkulierte die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Drei Männer; zwei aus Köln und der einzelne ältere Herr mit dem Peugeot. Wenn sie zusammengehörten, mußte er mit drei im Dunkeln wartenden Gegnern rechnen, im Zweifelsfall sämtlich bewaffnet. Wenn er Glück hatte, gehörte der Ältere nicht dazu, saß gefesselt auf einem Küchenstuhl, lag tot in der Badewanne oder hing an einem Dachbalken. Er beschloß, vorsichtshalber von drei Finsterlingen auszugehen. Ferner mußte er annehmen, daß sie nicht alle nebeneinander hockten und Däumchen drehten, sondern sich irgendwie strategisch verteilt hatten. Wie konnte man es anstellen, daß sie sich zusammenrotteten und ein paar Fehler machten?
    Er erwog dies, verwarf die ersten vier oder fünf Einfälle als untauglich, betrachtete wieder das Haus, in dem kein Licht brannte, die im halb verstrüppten Hinterhof geparkten Wagen, bedachte die Entfernung zu den nächsten Häusern – mindestens ein Kilometer – und die Nacht. Dann schnalzte er leise.
    »Ist dir etwa was eingefallen?« flüsterte Hermine.
    »Könnte man so sehen. Vielleicht klappt es sogar.«
    »Aha. Und wenn nicht?«
    »Haben wir ein bißchen Pech gehabt, was?«
    »Tröstlich, kann ich mir dann ja ins Innenohr flüstern.« Sie zögerte einen Moment, dann berührte sie seinen Arm. »Und wenn das da drin nette Menschen sind, die ganz einfach nur auf uns warten, um uns zu helfen?«
    Baltasar schnaubte leise. »Das Risiko ist so gering, das gehe ich gern ein. Nette Menschen? Die sind arg selten und schleppen meistens keine Schußwaffen herum.«
    »Hab ich dir schon mal gesagt, daß du unmöglich bist? Wie komme ich dazu, in einem französischen Wald zu stehen und aktiv bei Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und anderen Dingen mitzumachen?«
    »Vielleicht kannst du dich einfach nicht von mir losreißen.«
    Sie kicherte kaum hörbar. »Dann los.«
    »Leise pfeifen, wenn du was siehst, ja?«
    Hermine gab ihm einen leichten Schubs; Matzbach ging erstaunlich leise ein paar Schritte näher zu den Autos und fummelte dabei in der Jutetasche. Dann kniete er sich zwischen zwei Büsche, nur wenige Meter von dem Mercedes entfernt.
    Er atmete lautlos auf, als er endlich den Schlips ausziehen konnte. Mit einer Nagelschere zerstörte er das Produkt irgendeines geschmacklosen oder bizarren Seidenwebers, bis er zwei Tuchstreifen hatte. Als nächstes kam die Plastikflasche an die Reihe; sie hatte Wasser enthalten, war aber nun gefüllt mit Benzin aus dem Reservekanister des BMW.
    Baltasar nahm sich Zeit; ›lieber‹, dachte er, ›fünf Minuten zu still als eine Sekunde zu laut.‹ Er tränkte beide Schlipsstreifen mit Benzin; dann holte er den Drillbohrer aus der Jutetasche und kroch zum Kölner Benz.
    Plötzlich hätte er beinahe laut gelacht. Irgendwie war ihm nie der Gedanke

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