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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gekommen, Lanzeraths Leute könnten einen Diesel-Benz fahren. Es war ein Benziner; aber ›wie leicht scheitern die dümmsten Pläne an etwas noch Dümmerem‹, dachte er.
    Nach etwa fünf Minuten gab er den Versuch auf, ein Loch in den Tank zu bohren. Damit blieb die zweite von drei Möglichkeiten – oder doch lieber die dritte?
    Er zögerte nur kurz. Nach Lage der Dinge ... Nummer drei würde ein wenig lauter werden, aber vermutlich ließ sich Lärm am Ende ohnehin nicht vermeiden.
    Er kroch zurück zu Hermine und teilte ihr mit, was er nun zu tun beabsichtigte. Sie klackte mehrmals mit der Zunge; schließlich flüsterte sie:
    »Na schön, wenn du meinst ... Da drüben ist alles still. Ich bilde mir aber ein, vorhin mal kurz Stimmen aus dem Haus gehört zu haben.«
    »Sollte uns freuen, wenn jemand drin wäre, oder? Am Ende machen wir hier alles ganz umsonst, und die edlen Herrschaften kommen ebenso überraschend wie überrascht von einem frühen Nachtspaziergang zurück.«
    »Laber nicht. Geh arbeiten, Junge.«
    »Ganz zu Diensten, Madame.« Er kroch wieder auf die verstrüppte Parkfläche hinter dem Haus und begann, langsam, einzeln, nach und nach Zweige und Blätter neben und halb unter den Benz zu schichten. Als er mit dem Arrangement zufrieden war, nahm er die Flasche und schlich zum nächsten der Stapel säuberlich behauenen Kaminholzes. Dabei blieb er, so gut es ging, unsichtbar hinter Büschen und Wagen. Falls vom Haus aus doch jemand periodisch die Rückseite oder den Eingangsbereich beobachtete.
    Als er fertig war, ging er zu Hermine zurück und blickte auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. »Zwanzig vor elf«, murmelte er. »Zu früh für die Geisterstunde, zu spät für einen Cocktail. Nun ja.«
    »Sorgst du dich um die Etikette?«
    »Wenig, nur ein kleines Weniges beziehungsweise Bißchen. Ich stelle mir vor, daß da drin zwei bis drei Leute aufmerksam warten, überzeugt davon, daß eigentlich bald jemand auftauchen müßte.«
    »Wieso eigentlich?«
    Er lauschte; sie stand kaum einen halben Meter neben ihm, und er war ziemlich sicher, so etwas wie ein leichtes Zähneklappern gehört zu haben. Er beschloß, das Klappern ebenso taktvoll zu ignorieren wie die Tatsache, daß sie diese Frage längst erörtert hatten. ›Bekräftigung‹, dachte er. ›Stärkung der Seele. Festigung der Wangenmuskeln. Wie heißt es im I Ging? Es gibt ein Ding zwischen den Mundwinkeln, das nennt sich Das Durchbeißen. Offenbar hat Hermine Beißprobleme.‹ Dann seufzte er unhörbar; ihm war auch nicht viel wohler.
    »Wenn die nicht mit irgendwem rechneten, hätten sie die Wagen nicht so im Gestrüpp geparkt, daß man sie von der Straße aus nicht sieht.«
    »Aber mit wem rechnen die denn?«
    Das Zähneklappern wurde ein bißchen lauter, als er nicht gleich antwortete.
    »Entweder ganz allgemein«, flüsterte er, »oder sie haben irgendwas aus Wien gehört. Wenn Schmollgruber ein alter Freund von Jüssen war und dieser eminente Anwalt Metzler ein Freund von Schmollgruber, könnte es sein, daß er Jüssen alarmiert hat. Von wegen, ein ungebärdiger Matzbach in bezaubernder Begleitung ist unterwegs nach Frankreich.«
    »Weiß der doch aber nicht.«
    »Weiß er nicht, wird er sich aber denken, denk ich mir. Oder sie warten auf sonst wen, der sich bisher nicht einstellen mochte. Oder sie haben Zaches oder Yü doch noch geschnappt und beschlossen, für alle Fälle herzufahren und belastendes Material zu vernichten. Wie auch immer: Es ist viertel vor elf.«
    Sie legte ihm die flache Hand auf die Brust. »Danke für beruhigendes Reden. Küß mich.«
    »Euer gehorsamer Diener, Madame.«
    Etwa eine halbe Minute später flüsterte sie: »Leichenhäuser sind ja koedukativ, aber nicht mal in Frankreich gibt’s nen gemischten Knast. Mach los.«
    Matzbach knurrte leise. Gebückt schlich er zum Benz, duckte sich, träufelte ein paar Tropfen Benzin auf das Arrangement von Blättern und Zweigen, richtete sich auf, ging langsam, unter Zurücklassung einer dünnen Benzinspur, zu einem aufrechten aber toten Baum, der von trockenem Unterholz umgeben war, legte die immer noch mehr als halbvolle Flasche ins Reisig. Zurück zum Wagen.
    Bei alledem bemühte er sich, keinen Lärm zu machen, und etwas in seinem Hinterkopf dachte unausgesetzt an trockene Äste oder von mißtrauischen Menschen vorsichtshalber ausgelegte Knallerbsen. Der Wind ging inzwischen stärker und sorgte für erheblich mehr Nebengeräusche; trotzdem kam es ihm wie ein Wunder vor,

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