Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
seinen Armen eingeschlafen war. Sie war groß, schlank, nervös. Sie war krank. Pino Marino hatte beschlossen, sie zu heilen. Einfach so, ohne Grund.
    Er dachte, dem einen vergönnt das Schicksal ein schönes Haus im Herzen Roms, dem anderen nur ein Loch am Pallonetto di Santa Lucia. Kleine Gauner, die Frauen vergewaltigten und ihren Männern die Gurgel durchschnitten. Und einen höflichen Mann namens Stalin Rossetti.
    Er hatte nichts für das getan, was ihm das Schicksal schenkte. Es war ihm einfach in den Schoß gefallen. Er hatte nie protestiert. Er hatte nie aufbegehrt. Er hatte sich nicht einmal die Frage gestellt, ob es irgendwo ein anderes Schicksal hätte geben können. Nicht bis zu diesem Augenblick.
    Unwillkürlich hatte er den Arm über ihren Busen gelegt. Er zog ihn zurück, mit dem Gefühl, ein Sakrileg begangen zu haben. Das Mädchen bewegte sich leicht. Geruch nach Zimt, noch immer leicht säuerlich wie zuvor. Pino Marino schwor, dass er diesen zarten Beigeschmack zum Verschwinden bringen würde. Sie seufzte.
    – Du bist noch immer hier?
    – Ja.
    – Das ist schön.
    Ihr Atem wurde regelmäßig, fast nicht mehr wahrnehmbar. Ja, es war schön, aber es hatte keinen Sinn. Und was keinen Sinn hatte, hatte auch keine Zukunft. Pino Marino zog seinen Arm hervor. Er hätte sie ficken sollen. Jeder andere an seiner Stelle hätte die Situation ausgenützt. Er deckte sie zärtlich mit einem Zipfel des Lakens zu. Er musste gehen. Aber er würde zurückkommen. Das war ein Versprechen. Ein Schwur.
    Stalin wartete vor dem Haus auf ihn. Ziemlich verärgert. Er überreichte ihm den Schlüssel der Honda 750, die Yanez am Nachmittag geklaut hatte, und befahl ihm, sofort zu fahren.
3.
    Als es ihn traf, hatte Manuele Vitorchiano den Kopf gesenkt,
sissignore
gesagt, den Revolver genommen und war müden Schritts davongegangen, unter dem gleichgültigen Blick der Dorfbewohner, die in der Bar dello Sport Kaffee tranken.
    Mit seinem Schwager Lillo hatte er am Morgen danach gesprochen. Lillo hatte nicht schlecht gestaunt, als er mit Ringen unter den Augen und schleppender Stimme bei ihm aufgetaucht war.
    – Jetzt trifft es mich, Lillo.
    – Um wen geht es?
    – Um dich.
    – Warum? Was hab ich getan?
    – Nichts. Aber sie vertrauen dir nicht mehr. Sie sagen, wenn einer einmal die Seite gewechselt hat, kann er es jederzeit wieder tun.
    Lillo erinnerte sich an die Nacht in Bronte. Einer der Bosse der Corleonesen hatte der Familie von Don Saro ein Versöhnungsessen vorgeschlagen. Vierzig Leute waren gekommen, Bosse, Bezirkschefs, Ehrenmänner und Soldaten. Lillo Arm in Arm mit Don Saro.
’U me’ figghiu
nannte ihn Don Saro, mein Sohn. Dabei hatte er ihn in diesem Moment schon verraten. Herzliche Umarmungen und herzliches Lächeln, keine Leibesvisitationen, denn niemand konnte sich vorstellen, dass einer eine Waffe trug, manche Dinge waren damals ganz ausgeschlossen. Lamm, Rotwein, Käse aus den Madonie. Als sie zum letzten Mal auf die Freundschaft prosteten, gab der Boss der Corleonesen Manuel ein Zeichen. Und das Massaker begann. Keiner kam davon. Alle abgeschlachtet wie Zicklein. Zum Zeichen seiner neuen Loyalität erledigte Lillo Don Saro höchstpersönlich. Das Mitglied des Clans der Corleonesen hatte eingewilligt. Später, als sie Säure in die Badewannen gossen und die Leichen der Reihe nach hineinzerrten, sagte Lillo zu Manuele, sein Leben läge in seiner Hand.
    – Blödsinn. Du bist der Mann meiner Schwester. Du bist mein Bruder. Aber vergiss nicht, dass ich für dich gebürgt habe.
    Und eben weil er gebürgt hatte, musste er jetzt das Problem lösen.
    – Mir ist aber nicht danach. Man wird sehen …
    Lillo hatte Manuele umarmt und war abgehauen, ohne davor noch mal nach Hause zu gehen. So, wie er war, in seinem Alltagsgewand und mit ein paar Scheinen in der Tasche, die gerade für eine Fahrkarte zweiter Klasse und ein paar Wochen Überleben reichten.
    Manuele erzählte, dass man der Sau wohl einen Tipp gegeben hatte, denn er hatte ihn nicht angetroffen, als er seinen Auftrag hatte ausführen wollen.
    Aber als eine Woche später Lillos Foto, der ins Lager der Kronzeugen übergewechselt war, in allen Zeitungen auftauchte, dachte Manuele, dass sein Schicksal besiegelt war. Er war ebenfalls untergetaucht. Gewiss, er hätte auch Kronzeuge werden können. Nicht, dass er es sich nicht überlegt hätte. Aber was wäre dann aus seiner Familie geworden? Solange die Bosse im Ungewissen waren, solange er untergetaucht blieb,

Weitere Kostenlose Bücher