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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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den makellos weißen Gang wanderte, an dem sich die vergitterten Türen der Krankenzimmer befanden. Scialoja dachte, was er doch für ein geiler Bock war: Wie konnte er in einem derart heiklen Moment bloß an so was denken! Wie konnte er nur an so was denken, während Patrizia im Hotel auf ihn wartete!
    – Da ist es.
    Valentina hatte ihn flüchtig berührt, als sie mit den Knöcheln an Tür Nr. 15 klopfte. Ihr Busen hatte seine Schulter gestreift. Zufällig oder mit Absicht?
    – Komm, komm herein, Scialò. ’Tschuldige, wenn ich nicht aufstehe, aber die Chemo setzt mir ordentlich zu.
    Auf Scialojas Lippen trat ein melancholisches Lächeln. Seine und Corazzas Wege hatten sich vor vielen Jahren gekreuzt, als er noch ein einfacher Polizist und Libaneses Bande auf den Fersen gewesen war. Corazza war einer von jenen gewesen, die sich aufrichtig bemüht hatten, Moro zu befreien. Der breite römische Dialekt des Abgeordneten gab ihm das Gefühl, um Jahre jünger zu sein. Das war die Musik der Erinnerung. Die Musik einer Vergangenheit, die nicht wiederkehren würde.
    Wie schlecht Corazza beisammen war!
    Im roten Hausmantel, nach Atem ringend, saß er auf einem Drehsessel, mit bleichem und von der Krankheit gezeichnetem Gesicht, heiserer Stimme, die kaum einen Gedanken formulieren konnte. Mit erschöpfter Geste verweigerte er den Händedruck.
    – Die Hand geb ich dir nicht, solange nicht klar ist, ob die Sache nicht ansteckend ist, Scialò!
    – Aber was reden Sie da, Herr Abgeordneter! Sie werden sehen, bald …
    – Bald bin ich eine Mahlzeit für die Würmer, Scialò. Viel werden sie bei mir allerdings nicht zu fressen kriegen. Schau, wie ich beisammen bin!
    Alles in diesem Zimmer stank nach Tod. Scialoja entdeckte noch einen Drehsessel und ließ sich darauffallen.
    – Ich bin gekommen, weil ich etwas nicht verstehe … und Sie mir vielleicht helfen können …
    – Auf die Idee hättest du früher kommen sollen, Scialò! Wie lange hast du dafür gebraucht? Aber du hast mit Zinnsoldaten gespielt! Ich weiß, warum du gekommen bist … ich weiß es, aber soll ich dir was sagen, Scialò? Es ist spät. Zu spät …
    – Sind Sie der Drahtzieher, Abgeordneter?
    – Ich? Ich habe mich nur, wie man so schön sagt, im Nachdenken geübt. Zwei und zwei zusammengezählt … nicht mehr und nicht weniger, Scialò! Und jetzt ist es zu spät!
    – In welcher Hinsicht?
    – Was soll die spitzfindige Frage? Es ist spät, weil nichts mehr zu machen ist. Sie werden gewinnen, Scialò!
    – Wer: sie?
    – Sagen wir, die üblichen Verdächtigen, ja?
    – Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter. Die üblichen Verdächtigen, das seid ihr!
    – Nein, Schätzchen. Diesmal sind es andere übliche Verdächtige. Es sind die von der Reservebank. Die, die man früher nur dann hätte spielen lassen, wenn die erste Mannschaft einer Epidemie zum Opfer gefallen wäre. Die Schmutzfinken. Die, die man nicht herzeigen kann. Die, die sich all die Jahre … während wir gearbeitet haben … in den Katakomben versteckt hielten, mit Kapuze und Schwert!
    – Das übliche Freimaurerkomplott?
    – Weißt du, was die Freimaurer hierzulande sind? Ein Mummenschanz. Eine Inszenierung, die allen Geschäftemachern und allen schmutzigen Geschäften zupasskommt … aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen. Du bist ja mit von der Partie …
    – Sie hingegen …
    – Eigentlich geht es um etwas ganz anderes, Scialò: Tatsache ist, dass die von der Ersatzbank sich einbilden, auf uns verzichten zu können, seitdem die Mauer gefallen ist …
    – Und ist das so schlimm?
    – Nimm mich ruhig auf den Arm, ich mag ja lustige Leute! Hör mir zu: Im Guten wie im Schlechten haben wir fünfzig Jahre lang der ganzen Welt zu essen und zu trinken gegeben … auch den Kommunisten … jetzt glauben diese Würstchen, sie sind die Einzigen, die was zum Fressen brauchen … Verstehst du mich?
    – Nein. Ich verstehe noch immer nicht.
    – Weil du nun mal nicht Vecchio bist. ’Tschuldige, wenn ich dir das sage, Scialò, aber Dandi hatte recht … du erinnerst dich doch an den armen Dandi?
    – Gott hab ihn selig.
    – Nun, Dandi hat mal zu mir gesagt: Der Bulle … versteh mich recht, ich will dich nicht beleidigen … der Bulle hat zwar Ehrgeiz, aber Eier hat er keine … aber bitte nimm es mir nicht krumm.
    Scialoja sprang auf, von einer dumpfen Wut gepackt. Zuerst Vecchio, dann auch noch Dandi, dieser Straßenköter … der ja so clever gewesen war und sich am helllichten Tag mitten im

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