Schnappschuss
ins Gesicht bekam.
»Damit sollten wir ihn im Augenblick nicht belästigen«, sagte Challis. »Er tröstet gerade seine Tochter. Außerdem handelt es sich um Ermittlungen in einem Mordfall, und dazu brauche ich seine Erlaubnis eigentlich nicht.«
»Aber er ist doch gerade ins Büro gekommen. Einen Augenblick.«
Überrascht schauten Challis und Ellen zu, wie sie telefonierte.
Dann kam Robert McQuarrie federnd auf sie zu, wirkte eher adrett als niedergeschlagen. »Das ist wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt.«
Verschiedene Gedanken schossen Challis durch den Kopf. Robert McQuarrie hatte sehr wenig Zeit mit seiner Tochter verbracht. Offenbar stellte er seine Arbeit über sein Kind und wohl auch über die Erinnerung an seine tote Frau. Und er hatte weder Mitarbeiter noch Kollegen darüber informiert. In den Mittagsnachrichten war von dem Mord berichtet worden, doch war Janines Name dabei nicht gefallen. Challis durchfuhr heftiges Unbehagen, doch konnte er es verbergen und fragte nur sanft: »Es wird nicht lange dauern. Vielleicht könnten wir in Ihr Büro gehen?«
McQuarrie schien sich zu besinnen. »Wenn Sie darauf bestehen.«
Insgeheim schüttelte Challis mit dem Kopf. Der Super und seine Frau schienen nicht sonderlich traurig über das Ableben ihrer Schwiegertochter gewesen zu sein, und nun stürmte der Ehemann ins Büro, statt sich um seine Tochter zu kümmern. Challis wusste, was Trauer hieß – er hatte sie selbst schon durchgemacht, hatte sie bei anderen beobachtet und wusste, dass sie allerlei Formen annehmen konnte –, aber Trauer als lästige Unannehmlichkeit war ihm bisher noch nicht untergekommen. Was sind das nur für Leute?, fragte er sich.
Ellen dachte offenbar dasselbe wie er. Nachdem sie in einem riesigen Eckbüro mit Aussicht über die Stadt in Richtung Bucht Platz genommen hatten, bemerke sie: »Ich muss schon sagen, ich habe nicht damit gerechnet, Sie hier anzutreffen, Robert.«
Dass sie den Mann bei seinem Vornamen anredete, war Absicht und verriet, dass Ellen in gefährlicher Stimmung war. Leider ließ sich der Sohn des Super davon nicht beeindrucken.
»Was wollen Sie damit andeuten? Dass ich keine angemessene Trauerzeit einhalte? Dass ich daheim bei meiner Tochter sein sollte?«
Challis ging dazwischen. »Das könnte man so sehen, Mr. McQuarrie.«
»Hören Sie«, sagte Robert McQuarrie, »ich trage Verantwortung. Ich werde zwei Stunden hier sein und dann auf dem schnellsten Wege wieder zu meiner Tochter fahren. Wie können Sie es wagen, meine Gefühle oder die Art, wie ich damit umgehe, in Frage zu stellen? Georgia ist heute in der Obhut meiner Eltern, und morgen wird sie bei der Schwester meiner Frau sein. Ich will noch nicht mit ihr nach Hause gehen.« Seine Augen wurden wässrig. »Die Erinnerungen dort würden uns nur belasten. Georgia braucht mütterliche Fürsorge und viel Ablenkung, okay? Zu alledem bin ich noch Geschäftsführer einer Firma, die in ganz Australien hundert Menschen beschäftigt.«
Mit einem mahnenden Blick zu Ellen sagte Challis: »Dann werden wir also so effizient wie möglich vorgehen, dennoch werden wir jeden Einzelnen befragen müssen.«
»Also gut«, lenkte Robert McQuarrie ein.
Challis und Ellen stellten ihre Fragen. McQuarrie beantwortete sie mit kaum verhohlener Wut. Nein, ihm fiel niemand ein, der ihn so sehr hassen würde, um seine Frau zu ermorden. Er legte für seine Angestellten die Hand ins Feuer, und was das Australian Enterprise Institute anbelangt, so setzte sich dies aus einer handverlesenen Schar von Männern aus Rechtsprechung, Wirtschaft, Politik, Sport, Landwirtschaft und den Universitäten zusammen, Männer, die über jeden Vorwurf erhaben waren und sich unregelmäßig und an wechselnden Orten im ganzen Land trafen, wohin sie von ihnen nahe stehenden Firmen eingeladen wurden. Nichts Sinistres, nichts Geheimes. Das Institut hatte keinerlei Geschäftsräume, keine Angestellten. Es handelte sich dabei nicht um die übliche Art von Organisation.
»Bekommen Sie auch Drohbriefe?«
Da war etwas in seinem Gesicht, ein kurzes Aufflackern. »Natürlich«, antwortete er und kehrte wieder zu seinem bisherigen Verhalten zurück. »Wir im Institut stellen jene Art glasklarer Beobachtungen an, die beleidigend wirken auf irgendwelche irren, traurigen Gestalten bei der durchgeknallten Linken.«
»Durchgeknallte Linke«, murmelte Ellen.
»Haben Sie diese Briefe aufbewahrt?«, setzte Challis schnell nach.
»Das Übliche«, winkte Robert McQuarrie
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