Schnapsdrosseln - Kriminalroman
ähnlich …« Agathe lächelte verträumt. »Aber du musst das ja nicht glauben«, besann sie sich dann. »Wenn du möchtest, kannst du all die wichtigen Informationen, die ich dir hinterherschmeiße, einfach wieder vergessen. Es ist nicht so, dass ich mit Dankbarkeit gerechnet hätte. Ich kenne dich schließlich.«
Sie schwieg kurz. »Ich bin hilfsbereit«, sagte sie dann. »Wirklich sehr hilfsbereit. Ich kann gar nicht anders. Und darum erzähle ich dir jetzt noch den letzten Klopper. Es gibt da nämlich etwas, das der Nolden getan hat. Kürzlich erst. Sehr sonderbar …«
»Ach ja?«
»Ja. Er hat …« Agathe setzte sich ein wenig gerader. Sie musterte Britta, die sich bemühte, adäquat gespannt auszusehen. »Er hat sich nach einem Anwalt erkundigt!«, verkündete sie dann triumphierend.
»Und?« Britta sah sie verständnislos an.
»Hallo? Seine Frau ist eine Spitzenanwältin. Die kennt Gott und die Welt. Aber es ging nicht um irgendeinen Anwalt. Einen guten Scheidungsanwalt hat er gesucht, unser Freund Nolden! Ha! Scheidung also, und wieder ein feines Motiv!«
»Nein.« Britta verschränkte die Arme vor der Brust. »Oh nein. Wir sind hier nicht im Mittelalter. Seine Frau ist eine unabhängige, erfolgreiche Anwältin. Warum sollte sie ihn umbringen, wenn er sich scheiden lassen will?«
»Du hast keine Ahnung. Liebe, Leidenschaft … davon verstehst du nichts.«
»Was soll das denn heißen?«
»Nichts. Gar nichts. Ich erzähle dir lediglich, was ich herausgefunden habe. Deine Schlüsse musst du selber ziehen.«
Britta schwieg. Erneut trank sie einen Schluck Kaffee.
»Du könntest wenigstens so tun, als ob du dankbar wärst.«
»Ich bin total dankbar.«
»Du brauchst gar nicht so arrogant zu tun, meine Liebe«, sagte Agathe ungnädig. »Ich bin eine ans Haus gefesselte Zittergreisin und habe trotzdem mehr herausgefunden als du und Margot zusammen!«
»Ich bitte um Entschuldigung, Miss Marple.«
»Blöde Kuh! Meine Güte, verdient hast du meine Hilfe wahrlich nicht. Aber es geht mir ja um die Sache. Die Wahrheitsfindung!« Sie sah auf die Uhr. »Musst du nicht langsam?«
»Willst du mich loswerden?«
»Nein. Aber nein. Bleib ruhig hier sitzen und trink in Ruhe deinen Kaffee aus. Ich hab nur … ich müsste noch mal schnell an den Computer. Ich habe noch so was wie eine Verabredung. Nicht ermittlerisch, mehr … privat, wenn du verstehst, was ich meine.«
Das tat Britta nicht. Und sie war unendlich dankbar dafür.
Dieter Hottbender hatte sich zwei Spiegeleier gebraten und lustlos verzehrt. Es hatte ihm nie Spaß gemacht, für sich selbst zu kochen. Und an Tagen wie diesem, an denen das Leben alles daran zu setzen schien, ihm in die Quere zu kommen, kostete es ihn echte Überwindung.
Er hatte Teller und Pfanne abgewaschen und sich dann in den Sessel im Wohnzimmer gesetzt. Der Fernseher lief, aber er konnte nicht wirklich folgen. Er griff nach seinem Glas, trank noch einen Schluck von dem teuren Whisky. Er mahnte sich zur Vorsicht. Der Alkohol schien zu helfen, aber er wusste, dass die Grenze zwischen wohltuender Entspannung und dem Moment, in dem die Dämonen der Erinnerung aus ihren Löchern krochen, fließend war.
Nach Grits Tod war es eine Weile kritisch gewesen. Abend für Abend hatte er planmäßig und freudlos Gedanken ausgeschaltet und Gefühle betäubt. Er hatte sich eingebildet, das Gefühl der Machtlosigkeit und Verzweiflung so besser aushalten zu können. Bis er erkannte, dass er langsam, aber sicher die Kontrolle zu verlieren drohte.
Es wäre ihm vielleicht egal gewesen, wäre da nicht Maxi gewesen. Für Maxi hatte er sich zusammengenommen. Für sie hatte er weitergemacht. Sie brauchte ihren Vater. Auch wenn der beschädigt und unvollständig war. Auch wenn der seine Frau verloren hatte, den Menschen, der ihm Halt und Sinn gegeben hatte. Und jetzt war Bernd tot. Maxis Mann.
Ein sonderbarer Gedanke. Es war Dieter unmöglich, Bernds Tod mit dem von Grit zu vergleichen. Es verbot sich.
Es spielte keine Rolle. Maxi war Witwe. Und Maxi würde zurechtkommen. Genau wie damals. Sie war nicht so gefasst, wie es den Anschein machte. Aber gefasst und stark genug. Das, was sie vorhin gesagt hatte, war dem Schock geschuldet. Sie würde zur Vernunft kommen.
Er trank einen weiteren Schluck. Ruhig bleiben, dachte er, starrte auf den Bildschirm, versuchte, den Nachrichten zu folgen. Bildern von Ereignissen, die so viel größer waren als das, was hier geschah. Und doch weit weniger wichtig
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