Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Anwältinnen in Bonn, hat auch überregional einen gewissen Ruf. Brillante Juristin. Papas perfektes Mädchen – mit einer Ausnahme. Sie hat den falschen Mann geheiratet. Hottbender hat kein gutes Haar an seinem Schwiegersohn gelassen. Obwohl er ihn am Anfang wohl finanziert hat, als die Firma noch nicht so lief und Maxi noch keinen Haufen Kohle mit nach Hause gebracht hat. Das hat er allerdings auch jedem erzählt, der es wissen wollte. Und den anderen auch. Er hat den armen Bernd gerne bloßgestellt. Bis das Blatt sich dann gewendet hat.«
Agathe legte eine Spannungspause ein. »Dann kam nämlich die Baskets-Halle«, sagte sie schließlich. »Ein fetter Auftrag, der Bernd Nolden mehr als saniert hat.« Sie lächelte so zufrieden, als habe sie persönlich für diese Entwicklung gesorgt.
»Ist es da mit rechten Dingen zugegangen?«, fragte Britta, die an Anna Reuters Einschätzung der Lage dachte. »Kannst du da mal nachhören?«
»Nein«, erwiderte Agathe. »Denn das muss ich nicht. Das habe ich natürlich sofort getan. Heribert sagt, dass man nie sicher sein kann in dem Gewerbe. Ein Haifischbecken. Irgendwie ist jeder mit jedem verbandelt. Es wird immer irgendwas gemunkelt, aber in diesem Fall nichts Konkretes.«
Britta nickte.
»Letztlich heißt es aber nur, dass keiner was weiß«, dozierte Agathe fröhlich weiter. »So ist das ja oft mit den dunklen Geschichten.«
»Na, du musst es ja wissen.«
Agathe kniff kurz die Lippen zusammen. Sie schätzte Anspielungen auf ihre unrühmliche Vergangenheit nicht sonderlich. »Nachtragend«, knurrte sie. »Ihr seid alle so nachtragend.«
»Schon gut, entschuldige. Das ist alles sehr interessant.« Wenn auch nicht sonderlich nützlich, soweit Britta das beurteilen konnte.
»Wie ich schon sagte, das Blatt hat sich gewendet. Noldens Firma steht erstklassig da. Was man – und jetzt wird es heikel – vom alten Hottbender nicht behaupten kann. Was eine hochgradig brisante Info ist, denn davon weiß kaum jemand etwas.«
»Außer Heribert«, entfuhr es Britta, die dem geheimnisvollen Informanten nicht recht trauen mochte.
»Außer Heribert«, bestätigte Agathe ungerührt. »Ich sag dir doch – alte, abgeschobene Menschen werden unterschätzt. Jedenfalls hat Hottbender sein Geld in windige Anlagen gesteckt. Die gute alte Gier, er war nicht der Einzige, der reingefallen ist. Irgendwann war alles futsch und Schluss mit lustig. Und er hat getan, als ginge er in den Ruhestand. Vermutlich um sein Gesicht nicht zu verlieren. Heribert sagt, er frisst einen Besen, wenn der irgendeine Altersversorgung hätte. Vermutlich lebt er vom Geld seines Schwiegersohns. Oder dem seiner Tochter. Aber er tut so, als wäre er noch immer der König der Geschäftswelt.«
Der Wasserkocher schaltete sich aus. Britta stand auf, um das heiße Wasser auf den Kaffee zu gießen. »Du auch?«, fragte sie und öffnete den Schrank, in dem sich die Kaffeebecher befanden.
»Bist du irre? Koffein um diese Zeit könnte mich umbringen!«
»Ich glaube kaum, dass Koffein das schafft.« Britta schloss den Schrank. »Das ist ja alles schön und gut«, sagte sie. »Aber es hilft uns nicht weiter. Und außerdem klingt es nach blödem Getratsche.«
»Hallo?« Agathe schnaubte. »Das ist ein überzeugendes Motiv. Finanzielle Abhängigkeit, verletzter Stolz!«
Britta trank einen Schluck Kaffee. »Stolz«, brummte sie. »Stolz wird total überschätzt.« Der Kaffee war zu stark und verdammt bitter, tat aber trotzdem gut.
»Jetzt nimm doch nicht alles immer so persönlich«, sagte Agathe. »Du musst außerdem kapieren, dass Tratsch der Kern einer jeden Ermittlung ist. Heribert ist eine absolut verlässliche Quelle. Überhaupt wärst du überrascht, wie viele Leute das wissen, was angeblich keiner weiß. So läuft das. Man hält den Mund. Das ist der Trick. Alle halten den Mund, und zwar so lange, bis sie alt sind und behandelt werden, als seien sie nichts mehr wert. Dann packt man durchaus das ein oder andere aus, wenn eine gute alte Freundin fragt.«
»Du bist keine gute, alte Freundin. Du hast noch nie in deinem Leben wirkliche Freunde gehabt«, sagte Britta unwirsch.
»Ich habe vierhunderteinundzwanzig Freunde«, widersprach Agathe.
»Ich rede von echten Freunden. Menschen, weißt du, wirkliche Menschen. Das ist etwas anderes als ein Foto im Netz.«
»Heribert ist nicht so ein ›Freund‹. Obwohl sein Foto heiß ist. Er hat ein Bild von so einem Schauspieler genommen, der sieht ihm auch ein bisschen
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