Schnapsdrosseln - Kriminalroman
wohl albern, anzunehmen, dass du dich in deiner eigenen Wohnung aufhältst.« Er sprach wieder in dem Ton, den sie so hasste.
»Ich habe Kaffee gemacht«, sagte sie. »Magst du eine Tasse?«
Sie würde nicht aufgeben. Irgendwann würde er begreifen müssen, dass zivilisierte Umgangsformen wichtig waren.
»Ich will keinen Kaffee. Wir müssen uns unterhalten.«
Obwohl der Ton Elsa nicht behagte, erlaubte sie sich so etwas wie Hoffnung. Es war ein guter Zeitpunkt, um zu reden.
Darüber, dass es so nicht weitergehen konnte.
»Setz dich doch«, sagte sie, ignorierte seinen Blick, während sie in die Küche ging und Tassen und Kaffee auf ein Tablett stellte. Es war ihr egal, was er wollte. Sie brauchte jetzt einen Kaffee.
»Maxi ist mit den Nerven runter«, sagte er, nachdem sie sich zu ihm aufs Sofa gesetzt hatte.
Sie nickte. »Das arme Ding. Sie ist so tapfer, nicht wahr, aber es ist kein Wunder, dass ihr alles zu viel wird. Es ist wichtig, dass wir jetzt –«
»Nein!«, unterbrach er sie. »Nicht wir. Ich! Ich kümmere mich um Maxi. Mach dir bitte keine weiteren Gedanken um meine Tochter.«
Elsa zwang sich zu einem Lächeln, nickte. Männer, dachte sie, er ist so hilflos, so verzweifelt.
»Wann ziehst du aus?«
Die Frage raubte ihr für eine Sekunde die Fassung. »Was hast du gesagt?«
»Du hast mich genau verstanden.«
Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Was redest du denn da? Das ist absurd, wo soll ich denn hinziehen? Ich weiß gar nicht, wie du auf so eine Idee kommst. Maxi braucht mich doch hier!«
»Maxi braucht dich nicht. Und Maxi will dich nicht. Früher nicht und jetzt schon gar nicht!«
Elsa griff nach ihrer Tasse. Ein Schluck Kaffee. Das würde ihr guttun. Ihre Hände zitterten. Kaffee tropfte auf den Glastisch und den weißen Teppich. Sie stellte die Tasse wieder ab, es klirrte. Nicht laut genug, um Dieters Stimme zu übertönen, die immer weiterredete.
»Wie hattest du dir das denn vorgestellt? Dein Sohn verlässt meine Tochter, und du bleibst hier wohnen? Als kleine Hinterlassenschaft, als Erinnerung an ihren Exmann?«
»Was soll das? Dieter, das ist … das ist doch alles Unsinn!«
»Verdammt noch mal, Elsa! Du hast es gehört. Du hast neben mir gestanden, erinnerst du dich? Draußen im Garten. Wir haben beide gehört, was Bernd gesagt hat. Dass er sie verlassen wird, die Scheidung will. Das hast du doch wohl nicht vergessen!«
Elsa schüttelte den Kopf. Immer wieder. Immer schneller. Sie hatte es vergessen. Es kam ihr selbst merkwürdig vor, aber so war es. Sie hatte es vergessen, und das war gut so, und sie hasste Dieter dafür, dass er sie daran erinnerte. Dinge ans Licht zerrte wie diesen grauenhaften Nachmittag. Sie hatte geweint, später, in ihrem Wohnzimmer, sie hatte in Fipsis weiches Fell geschluchzt. Es war lange her. Es spielte keine Rolle. Es ging nicht um die Vergangenheit.
Sie zwang sich, den Kopf still zu halten. Zu sprechen.
»Dieter, das ist lächerlich«, sagte sie. »Das war ein kleiner, alberner Streit. Das kommt in den besten Ehen vor, man zankt sich manchmal, sagt Dinge, die man nicht so meint.«
»Er hat die Scheidung eingereicht. Sieht aus, als hätte er es genau so gemeint, wie er es gesagt hat. Ich bin überrascht, dass er nicht mit dir darüber gesprochen hat. Dein guter, fürsorglicher Sohn. Der sich doch so sehr um dich gekümmert hat. Dich meiner Tochter in den Pelz gesetzt hat aus lauter Liebe. Er wird doch mit dir besprochen haben, wie es weitergeht, wenn er sich aus dem Staub gemacht hat.«
Höhnisch. Er klang so höhnisch.
»Halt den Mund!«, keuchte sie. »Er ist tot! Ich will nicht darüber reden, hörst du, ich will davon nichts hören!«
»Das weiß ich«, erwiderte er. »Aber es geht nicht darum, was du willst. Du kannst hier nicht bleiben!«
Elsa spürte einen stechenden Schmerz in den Nebenhöhlen. Sie keuchte, fing sich wieder. »Ich muss mir das nicht anhören.« Sie atmete durch, langsam und konzentriert. »Was bist du nur für ein Mensch, Dieter? Bernd ist tot. Maxi ist am Boden zerstört. Sie braucht mich jetzt. Und keine alten Geschichten, nicht noch mehr schmerzliche Erinnerungen. Sie braucht jemanden, der sich um sie kümmert. Wir sind eine Familie, wir müssen zusammenhalten!«
»Wir sind keine Familie! Kapier das doch endlich. Maxi ist meine Tochter. Du bist hier, weil dein Sohn dir gegenüber so etwas wie Verantwortung gezeigt hat. Was ganz erstaunlich ist, denn seiner eigenen Frau gegenüber war er nicht so
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