Schnapsdrosseln
zu tilgen. Nein, sie verstand Britta nicht. Aber darum ging es letztlich ja auch nicht, wenn man befreundet war.
Der Gedanke führte sie zurück zum eigentlichen Problem. Sie war eindeutig nicht mit Elsa Nolden befreundet, der Frau, die auf dem Sofa schnarchte und dabei ein wenig sabberte. Margot hatte sie gerüttelt, aber nicht wach bekommen. Ihr war nicht wohl dabei, sie einfach so zurückzulassen.
Sie hatte die Wohnung verlassen, hatte rasch ihr Telefonat erledigt. Nun stand sie vor der Tür von »Maximiliane und Bernd Nolden« und klingelte. Keine Reaktion. Sie ging zu dem anderen Haus. »Hottbender« auf dem Schild – keine weiteren Details. Sie drückte den Klingelknopf, und ein Mann öffnete die Tür.
»Ja bitte?«
Margot schätzte ihn auf etwa siebzig. Er sah nicht schlecht aus, wenn man auf diesen etwas zu gebräunten, ein wenig zu sorgfältig gekleideten Typ Golfplatzgänger stand. Sein Blick war herablassend.
»Ich war gerade bei Ihrer … bei Elsa Nolden«, setzte Margot an.
Hottbender zog eine Augenbraue hoch, sein Blick wurde feindselig.
»Sie ist …« Margot atmete tief durch. Was war nur los? Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. »Ich glaube, Frau Nolden ist indisponiert«, erklärte sie. »Sie schläft jetzt. Auf dem Sofa. Ich bekomme sie nicht wach. Und ich muss leider weiter. Darum dachte ich …«
»Indisponiert?« Hottbender grinste boshaft. »Sie meinen besoffen?«
Margot nickte vorsichtig. »Ich hatte den Eindruck, dass sie möglicherweise ein bisschen zu viel getrunken hat, ja. Ich dachte, jemand sollte Bescheid wissen.«
»Wie überaus fürsorglich.« Hottbender schien sich zu besinnen. »Machen Sie sich keine Sorgen.« Er klang fast versöhnlich. »Die schläft ihren Rausch aus. Da passiert schon nichts.« Es hörte sich nicht an, als würde es ihn sonderlich stören, sollte er sich täuschen. Er musterte Margot misstrauisch. »Wer sind Sie eigentlich? Was haben Sie bei Elsa gemacht?«
»Niemand.« Aus verschiedenen Gründen schien Margot Ehrlichkeit an dieser Stelle nicht angebracht. »Ich meine: nichts, ich … äh … ich wollte mich eigentlich nur erkundigen, ob Sie schon das Wort Gottes vernommen hat«, improvisierte sie eilig. Und überaus erfolgreich, denn die Tür schlug umgehend vor ihrer Nase zu. Sie lächelte zufrieden und machte sich auf den Weg. Sie hatte es drauf, sie hatte es immer noch drauf!
Es war idiotisch gewesen. Anna hätte selbst nicht sagen können, was sie sich von diesem Besuch versprochen hatte. Aber sie musste irgendetwas tun. Das Gefühl der Lähmung war unerträglich. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Heute früh hatte sie im Kindergarten angerufen, sich krankgemeldet. Die Chefin heuchelte Verständnis. Vermutlich zerriss sie sich mit den Kolleginnen das Maul. Vermutlich zerrissen sich alle das Maul über Anna, deren Mann ständig an der Schwelle zum Konkurs stand. Der sich über den Tisch ziehen lassen hatte von Bernd Nolden. Ihren Mann, der lieber Stefanie gratis den Hof renovierte, als einen Abend mit ihr zu verbringen.
Ihr Mann, der vielleicht ein Mörder war.
Sie hatte sich wie in Trance gefühlt, als sie die Fragen der Polizei beantwortet hatte. Immer dieselben Fragen. Freunde, Bekannte, Orte, an denen er sich vielleicht aufhalten könnte. Fragen ohne Antworten. Er hatte keine Freunde. Nur Stefanie. Es gab keine Orte. Es gab nur Geheimnisse, die sie am liebsten herausgeschrien hätte. Aber nicht der Polizei gegenüber.
Als sie wieder allein gewesen war, hatte sie am Küchentisch gesessen. Bis sie es nicht mehr aushielt. Dann war sie zu Stefanie gegangen, obwohl sie es besser hätte wissen müssen.
Bernd war tot, und langsam begriff Anna, dass deshalb gar nichts zu Ende war. Im Gegenteil. Sein Tod nahm ihr das bisschen, das ihr geblieben war.
Sie stand auf der Straße, versuchte sich zu sammeln. Der Kaffee fiel ihr ein. Die paar Lebensmittel, die Karla mitgebracht hatte, waren fast aufgebraucht. Sie musste etwas Normales tun. Sie kramte in ihrer Handtasche nach dem Geldbeutel. Es würde reichen. Sie versuchte, nicht an den letzten Besuch bei Edeka zu denken. Es spielte keine Rolle. Die Leute tratschten über sie, so oder so, sie würde einkaufen, jetzt. Etwas Normales tun.
Wenngleich sie ahnte, dass auch das nichts ändern würde.
»Ich … äh … ich wollte nur nicht stören …« Britta musste Stefanie nicht ansehen, um zu ahnen, dass sie ihr kein Wort glaubte. »Es ist kompliziert«, fügte sie daher
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