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Schneckenmühle

Schneckenmühle

Titel: Schneckenmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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man muß ihn dann in die Mulde eines der eigenen Spieler katapultieren. Am Tor ein Plasteschieber zum Mitzählen.
    Jörg ist glücklich über den Kauf einer schwarzen Doppelkammer-Dose, mit der man zwei Filmrollen gleichzeitig entwickeln kann, die gebe es nur in unserem Nachbarland. Dabei ist das Prinzip ja einleuchtend. Er will morgen in die Dunkelkammer. Wer etwas für sich gefunden hat, strahlt eine große Zufriedenheit aus. Das Fundstück wandert von Hand zu Hand und wieder zurück. Es gehört einem zwar nicht, aber ein bißchen fühlt man sich als Miteigentümer, weil man den Besitzer ja kennt. Bis der sagt: «Nimm mal deine unegalen Finger weg.»
    Endlich erfahre ich, auf was für «Hörnchen» alle so scharf waren. Wir sitzen vor einer Kaufhalle und tauchen das ungewöhnliche Gebäck mit der Spitze in die «pomazankove maslo» ein. Unbegreiflich, daß sie sich hier täglich von so etwas ernähren können.
    Es ist sehr heiß, mir ist nicht gut. Ich kaufe ein Wassereis, aber davon wird mir nicht besser. Habe ich zuviel Ketchup gegessen? Oder einen Sonnenstich? Mir wird schlecht davon, daß alles hier so fremd aussieht, Feuerlöscher, Ampeln, Mülleimer. Wenn ich die anderen aus den Augen verliere, dann wäre ich völlig orientierungslos und müßte verhungern. Wolfgang begleitet mich zum Bahnhof. Eine ältere Dame vom Roten Kreuz holt mich in einen Raum mit einer Liege und einem Medikamentenschrank. Sie spricht deutsch, wie kann das sein? Wo die Deutschen doch die Nazis waren. Das ist für mich ein Wunder und ein besonderes Glück, hier auf sie getroffen zu sein. Zu Hause werden sie staunen. Ich bekomme ein Glas mit einer Flüssigkeit, ich habe aber noch nicht ausgetrunken, da übergebe ich mich schon in einem warmen Schwall auf den grünen Linoleum-Fußboden. Das mache gar nichts, sagt sie und wischtes auf. Die ganze Rückfahrt starre ich wie benommen aus dem Fenster und versuche, den Geschmack loszuwerden, der mir in der Nase sitzt. Meine Stirn ist heiß, ich komme gleich ins Krankenzimmer im zweiten Stock vom Steinhaus.

25 Ich bin der einzige Kranke, ich liege in einem Ehebett, hinter meinem Kopf das Fenster. Seltsam, so allein zu sein, die Zeit vergeht plötzlich viel langsamer, und es ist eigenartig still. Ich bin zum ersten Mal im Krankenzimmer, darauf bin ich fast ein bißchen stolz. Heike bringt mir einen Teller Stullen ans Bett, mit je einer Scheibe Leberwurst und Teewurst. Ihre weißen Arzthosen, die Sandalen, diese Rundung hinter den weißen Blusenknöpfen, in die man sein Gesicht tauchen möchte. Manchmal habe ich Besuch, die Jungs aus meiner Gruppe kommen mir fremd vor, wie aus einer fernen Vergangenheit, als ich noch gesund war. Sie wirken auch so brav plötzlich, in ihrer Rolle als Krankenbesucher, fast ein bißchen langweilig. Haben sie sich extra gekämmt? Wir wissen gar nicht, was wir reden sollen, es scheint überhaupt nichts Interessantes zu passieren, wenn man nicht dabei ist. Daß sie einfach wieder runtergehen können. Wolfgang kommt als einziger alleine und bringt mir seine «Mosaik»-Hefte mit. Er untersucht gleich meine Medikamente, findet aber nichts, was ihn interessiert.
    «Meine Eltern nehmen immer Copyrkal und Ergoffin gegen ihre Kopfschmerzen. In unserer Küche ist ein ganzer Schrank voll davon», sage ich.
    «LSD …»
    «Nein, Migräne.»
    «Mann, Ergotamin, Mutterkorn, Lysergsäure.»
    «Ich hasse Chemie. Nach dem Dekantieren habe ich nichts mehr verstanden.»
    Er schweigt. Ich weiß bei ihm nie, was ich sagen soll, alle Sätze, die man sich im Kopf zurechtlegt, kommen einem ungeeignet und überflüssig vor.
    «Warum liest du das ‹Mosaik› eigentlich immer so komisch?»
    «Wieso komisch?»
    «Na, du verdeckst doch immer die Bilder.»
    «Das trainiert die Vorstellungskraft.»
    «Und was hat man davon?»
    «Daß man sich Sachen vorstellen kann.»
    «Was denn?»
    «Wie die Welt entstanden ist, und wie sie untergehen wird.»
    «Mich stört bei den Abrafaxen, daß die Geschichte unendlich weitergeht. Und daß sie nie zurückkommen in ihre Zeit, nachdem sie das eine Mal durch diese Höhle ins Mittelalter gerutscht sind.»
    «Ich les’ das auch nur, weil es so blöd ist.»
    «Wieso?»
    «Weil ich gerne auch so blöd wäre.»
    «Ich dachte immer, Ritter Sport ist so was wie Ritter Runkel.»
    «Unsere Gruppe war heute übrigens dran mit Luftgewehr.»
    «Mist, jetzt hab ich das verpaßt.»
    Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil mir Schießen solchen Spaß macht. Es gibt an der

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