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Schneckenmühle

Schneckenmühle

Titel: Schneckenmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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Kostüme nicht anziehen werden?
    «Wenn ick die wär’, würd’ ick mich umbringen», sagt Marko.
    «Das darf man erst ab 18.»
    «Wenn de Pech hast, biste danach ’n Spukjespenst.»
    «Man kann sein Herz auch durch ‹orthogenes Training› anhalten.»
    «Der Sohn von Schnitzler hat sich in der Badewanne mit einer Schlinge erdrosselt.»
    «Der durfte wohl keen Westen kiekn.»
    «Der olle Schnitzler mit seine Brille, der kann ooch zwee Aschenbecher nehmen.»
    «Ick würde mich lieber nicht umbringen. Wenn man dann gar nicht tot ist? Vielleicht muß man dann immer für Gott arbeiten.»
    Wir sitzen nur noch zu viert im Halbdunkel am Rand der Tanzfläche. «Bei Grand spielt man Ässe, oder man hält die Fresse …» Manchmal schiele ich rüber, wie die Tänzer von einem Fuß auf den anderen treten, aneinander vorbeisehen und nachlässig mit den Armen schlenkern, und ich lasse das sehnsüchtige Ziehen im Bauch aufsteigen, um eszu genießen. Am liebsten würde ich schon im Bett liegen, weil ich mich beim Einschlafen am besten darauf konzentrieren kann.
    Marko hat einen Weg ausgekundschaftet, wie wir heimlich abhauen können. Nacheinander gehen wir auf die Toilette und schlagen uns von dort zur Tür durch, als stünden wir unter Beschuß, immer aus der Deckung einer Wand eine Ecke weiter. Wir überqueren geduckt die Straße, die Brückenwache ist nicht besetzt. Wenn der Bach jetzt anschwillt, werden wir fortgespült, während die anderen sich aufs Dach vom Steinhaus retten können, wo sie von Hubschraubern aus mit Lebensmitteln versorgt werden. Die Gerätescheune, deren Bretterwände noch warm sind von der Sonne und duften. Marko schlägt vor, hinter dem Bungalow unsere Plastetrinkflaschen anzukokeln, er hat das schon einmal gemacht und weiß, daß es sich lohnt. Die Flaschen schmelzen, und die brennenden Tropfen machen durch den Luftwiderstand ein schmatzendes Geräusch: «Bomben auf Moskau!» Wie schön die Finger nach Feuer riechen. Das verwaiste Lager mit dem Volleyballfeld. Von ferne die dumpfen Bässe der Neuen Deutschen Welle. Wir spielen auf dem Schotter vom Appellplatz mit einem Tennisball in der Abendluft Fußball. Obwohl wir kaum noch etwas sehen, hat es noch nie solchen Spaß gemacht, beide Mannschaften sind genau gleich gut. Ich traue mich nicht, Wolfgang zu sagen, daß mir das mit den blauen Flecken leid tut.
    Ein Schatten nähert sich. Wir seien ja wohl noch bei Trost, alleine über die Straße zu gehen? Wollten wir, daß er «eingelocht» werde? Wir müssen Jörg ins Steinhaus folgen. Die anderen hatten unsere Abwesenheit gar nicht bemerkt.Zu allem Unglück stellt sich jetzt auch Matthias zu den Tänzern, und wir sind nur noch drei. Halb so schlimm, dann muß wenigstens keiner mehr aussetzen. Mischen, klopfen, Fächer bilden. Nicht alle Buben nach rechts sortieren, das machen nur Anfänger. Noch mal nachgucken, was man gedrückt hat? Nein, das ist verboten nach dem ersten Stich. Daß man ausgerechnet
die
beiden Karten so schnell vergißt! Marko singt alle Lieder mit, er kennt sich wirklich ungeheuer aus. Gleich nach den Ferien werde ich ausprobieren, welche Sender wir mit unserem Grundig-Rekorder empfangen. Radio Saarbrücken auf Mittelwelle soll viel besser sein als RIAS. Man muß ein bißchen Farbe vom Heizkörper abkratzen, dann kann man an der Stelle das Radio anschließen und die Heizung vom ganzen Haus als Antenne benutzen.
    «
Oh, happy children …
»
    Das letzte Lied wird heimlich immer wiederholt, man spult einfach schnell zurück und spielt es noch einmal. Aber jetzt ist Schluß, wir sollen ins Bett. Aus Protest setzen sich alle im Kreis, klatschen und schlagen abwechselnd mit der flachen Hand in einem bestimmten Rhythmus auf den Boden. «
All we are saying, is give peace a chance!
» Bis Gaby, die stellvertretende Lagerleiterin, eine Zugabe gestattet.
    Das Lied beginnt mit Hammerschlägen, Metall scheppert wie in einer Werkhalle, Eisenträger werden über den Boden geschleift, aber sehr rhythmisch und schön abgehackt maschinenhaft. «Na, endlich spiel’n’se Depeche Mode!» Als hätte er die ganzen Tage nur auf ein bestimmtes Lied gewartet, springt Marko auf, geht zu der Stuhlreihe, wo die Mädchen sitzen, und fordert, ohne zu zögern, Astridauf, die einfach ja sagt. Ich bin neidisch, aber auch stolz, weil ein Freund von mir sich so etwas traut. Wir sind jetzt nur noch zwei, deshalb spiele ich mit Wolfgang Offiziersskat. Zu jedem Buben gibt es eine farblich passende Dame. Ich bin kein

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