Schnee an der Riviera
waren und ihn mehrmals getroffen haben, wenn die Jugendlichen nicht dabei waren. Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Es stimmt, dass wir ein paar Mal bei ihm waren. Aber befreundet wäre zu viel gesagt. Ich hatte Signor Caprile bei den Ausflügen der Signorina kennengelernt, wie gesagt, und manchmal sind wir alleine zu ihm gefahren, Alfio und ich. Um mit ihm zur Jagd zu gehen. Er war ein guter Jäger, und er hatte sehr gute Hunde. Aber auch Alfio kannte ich nicht besonders gut. Er war sehr zurückhaltend, was sein Privatleben betraf. Ich weiß nicht einmal, wo er wohnte. Ich wusste nur, dass er ein guter Privatdetektiv war, sehr erfahren.«
»Signor Albini, Sie wissen natürlich, dass Sie die Polizei hätten verständigen müssen? Sie sind kein naiver Junge, der beim Anblick einer Leiche den Kopf verliert, angesichts ihres Lebenslaufes als Soldat. Und erfahrene Leute gibt’s hier auch eigenartig viele. Die in noch eigenartigere Beziehungen verstrickt sind.«
»Wie gesagt, Signor Spaventa und ich wollten in nichts verwickelt werden, auch damit es meinem Arbeitgeber nicht zum Nachteil gereichen würde.«
Er sagte wirklich »Nachteil« und »gereichen«. Nelly ließ nicht locker.
»Und wenn Sie auf die Polizei schießen, dann gereicht Ihrem Arbeitgeber das nicht zum Nachteil, wie Sie sich auszudrücken belieben?«
Matteo Albinis Gesichtsausdruck wurde noch unschuldiger und aufrichtiger, ein wahres Inbild der Vertrauenswürdigkeit. Nur dass diese Miene und seine Worte nicht zu dem wachsamen, kalten Blick passten. So geschickt er auch war, er tischte ihnen eine einzige große Lüge auf, und Nelly wusste das. Nun ging von seiner Person sogar eine kaum verhohlene Drohung aus.
»Wir wussten nicht, dass Sie von der Polizei sind. Sie trugen ja Zivil. Haben sich nicht zu erkennen gegeben. Unter diesen Umständen mussten wir denken, die Signorina sei in Gefahr, ihr seien Killer auf den Fersen. Bei allem, was in den letzten Tagen geschehen ist, konnte man nichts mehr ausschließen, und so haben wir eben gehandelt. Ein grober Fehler, aber verzeihlich. Ein Fehler, der Alfio das Leben gekostet hat. Das allerdings hätte nicht passieren dürfen.«
In seiner Stimme lag ein deutlicher Vorwurf, die Anklage war offensichtlich.
»Totaler Schwachsinn!«, fuhr Gerolamo brüsk dazwischen. »Ich habe ganz laut ›Polizei!‹ gerufen.«
»Das hat aber keiner von uns gehört, leider. Sie vielleicht, Signorina Monica?«
Monica hatte die Unterhaltung mit großen Augen verfolgt.
»Ich ... ich stand unter der Dusche, im oberen Stock. Ich habe nichts gehört, bis die Schüsse fielen. Matteo hat mir gesagt, Verbrecher seien hinter uns her, sie seien in die Villa eingedrungen und wollten uns entführen. Vielleicht umbringen.«
Ihr Erstaunen wirkte echt.
»Du hast mir in San Michele di Pagana aber nicht gesagt«, fuhr sie an Matteo gewandt fort, »dass Gian tot ist ...«
»Von dir, Monica, hätte ich gerne zwei klare Antworten: Stimmt es, dass du Francesco Bagnasco an jenem Tag gebeten hast, Professoressa Galli abzulenken, weil du Drogen verschwinden lassen musstest?«
Monica schien wie vom Blitz getroffen.
»Wer hat denn diesen Quatsch verzapft?«
»Franci selbst hat es zu Maurizio gesagt.«
»Das ... das stimmt nicht. Ich weiß nicht, was Franci zu Mau gesagt hat, aber ich habe ihn um nichts Derartiges gebeten. Ich und Drogen, unvorstellbar.« Sie war bis zu den Haarwurzeln errötet.
»Zweite Frage: Warum habt ihr eure Namen vertauscht, du und Miriam, zumindest im Anatra azzurra ?«
»Nur zum Spaß, es war ein Spiel, weiter nichts. Um ein paar Idioten auf den Arm zu nehmen, die uns nervten.«
Wie von der Tarantel gestochen, fuhren Federica und Gianandrea hoch und riefen fast aus einem Mund: »Jetzt wollen Sie also die Opfer beschuldigen? Gibt es irgendwelche Beweise für diese Unterstellungen?«
Nelly hatte genug und gab Gerolamo ein Zeichen, den Mann und Monica wegzubringen, aber Gianandrea Pittaluga mischte sich lebhaft ein:
»Es war ein schreckliches Missverständnis, Dottoressa. Sie werden gemerkt haben, dass die Dinge ganz anders liegen, als es zunächst aussah. Man kann Matteo keinen Vorwurf daraus machen, dass er Monica beschützen wollte, auch wenn es ein Irrtum war ... und Sie können ein Mädchen nicht ohne Beweise beschuldigen, nur aufgrund von Gerüchten und voreingenommenen Zeugen.«
Auch Avvocato Nencioni erhob sich, bereit zum Angriff.
»Meine Klienten haben das Recht ...«
Nelly unterbrach ihn mit einer
Weitere Kostenlose Bücher