Schnee an der Riviera
Augenbrauen, einen südlichen Akzent, fast ausländisch, vielleicht spanisch, Mitte vierzig, gerade Nase, breite Hände mit einem Onyxring am Finger. Rechts ’ne goldene Rolex. Helle, grünliche, wache Augen. Am Anfang war er freundlich und locker, dann wurde er immer härter und aggressiver, dann plötzlich wieder nett. Echte Polizeimethoden eben: die Wechseldusche. Er wollte mich verunsichern, in Widersprüche verwickeln. Er wollte alles über Franci, Habib, Monica und Miriam wissen, wie wir zueinander standen. Genau wie du«, schloss er leise.
»Du bist ein guter Beobachter, Mau. An was für Sätze erinnerst du dich?«
»›Also, Freundchen, raus mit der Sprache. Für wen arbeitet ihr? Wer steckt dahinter?‹
Ich hab ihm geantwortet: ›Wer soll denn dahinterstecken? Ich hab nie für jemanden gearbeitet!‹ Er hat fies gelacht und weitergebohrt: ›Aber klar, natürlich. Du hast echt Schwein, dass deine Mutter Kommissarin ist.‹
Ich dachte, der macht Witze, weil er ein Kollege von dir ist, wenn auch ein Proll. Dann hat er von Koks angefangen. Ich konnt’s nicht fassen!
›Ihr kleinen Arschlöcher macht auf harmlos, und dann dealt ihr und zieht euch den Schnee rein. Jetzt mal Schluss mit lustig: Wo ist das, was Francesco Bagnasco hatte? Wo habt ihr’s versteckt?‹
Ich war echt empört, ich hab noch nie im Leben Koks angefasst. Und Franci auch nicht, da bin ich mir sicher.
›Wo die Drogen geblieben sind oder das, was ihr sucht?‹, hab ich gefragt. ›Das solltet ihr doch am besten wissen, schließlich habt ihr alles umgekrempelt. Franci und ich haben mit solchen Sachen nichts am Hut. Und ich hab auch keinen Schimmer, ob er wirklich was bei sich hatte, immerhin habt ihr nichts bei ihm gefunden.‹
Er hat mich schweigend angestarrt, dann hat er gesagt: ›Dein Franci hatte was, das nicht ihm gehörte, und dafür hat er mit dem Leben bezahlt. Hier ist ein Haufen Geld im Spiel, das weit mehr wert ist als du, er und eure kleinen Flittchen-Freundinnen zusammen.‹
Ich hab ihm gesagt, dass seine Kollegen mich schon gestern gefilzt und absolut nichts gefunden hätten, weder Drogen noch sonst was, und ich war kurz davor, sauer zu werden, weil der mir einfach nicht glauben wollte und nicht lockerließ. Zum Glück hat in dem Moment Sandra an der Tür geklingelt und nach dir gefragt, und ich hab ihr ganz schnell aufgemacht, damit dieses Scheißverhör endlich ein Ende hat. Der Typ hat einen Moment lang ratlos rumgestanden, dann ist er gegangen. Übrigens, Sandra hat mir gesagt, dass du sie so bald wie möglich anrufen sollst. Was hältst du von dieser Mafia-Story, Mama? Wer zum Henker war das, wenn’s keiner von deinen Leuten war?«
Nelly sah ihn konzentriert an.
»Hat der Mann wirklich gesagt, Franci sei gestorben, weil er etwas hatte, das nicht ihm gehörte? Bist du sicher, Mau? Aber wie geht das mit dem Unfall zusammen? Du hast immer behauptet, dein Freund sei durchgedreht, weil er ein bisschen Gras bei sich hatte, aber gefunden hat man nichts. Hast du denn das besagte Gras gesehen?«
»Ich schwöre dir, dass dazu keine Zeit war, ich hab nicht sehen können, was er hatte oder ob er überhaupt was hatte. Das ist alles passiert wie ... wie in einem Actionfilm.«
»Kiffst du?«
»Aber das weißt du doch, klar kiffe ich, ich kiffe, verdammt noch mal, so wie alle.«
»Erzähl mir nicht so einen Scheißdreck, Mau. Du hast mir tausendmal geschworen, du würdest nicht kiffen, und du weißt genau, dass nicht alle kiffen. Aber Franci hat’s offensichtlich getan, und du auch. Und Habib? Es heißt, bei ihm wären noch ganz andere Sachen im Spiel. Und Monica?«
»Apropos Habib, das Arschloch vorhin hat gesagt, er sei verschwunden. Die Sache sei für alle zu heiß geworden. Der war total durchgeknallt.«
»Er hat gesagt, Habib sei verschwunden?«
»Ja.«
»Das stimmt, er ist tatsächlich verschwunden. Wir suchen ihn, um ihn zu vernehmen, und inzwischen vielleicht auch, um ihm die Haut zu retten. Habib hat also mit Koks gedealt und selbst gekokst. Du auch? Franci und Monica auch?«
«Auch wenn du’s mir nicht glauben willst, aber mehr als kiffen tue ich aus Prinzip nicht. Und Franci auch nicht, der hat eh selten geraucht. Bei Monica weiß ich’s nicht. Wie gesagt, bei der blickt man nicht durch. Wenn sie’s getan hat, hat sie mir nie davon erzählt. Die wusste, dass ich was dagegen hab.«
»Ich muss dich unter Schutz stellen, Mau. Die Sache wird immer undurchsichtiger und langsam richtig gefährlich.
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