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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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einfach Angst vor der Spritze – zumindest anfänglich – oder auch kein Talent, die Venen zu erwischen. Das gibt dann häßliche blaue Flecken.«
    Kommissar Freiberg dankte und verteilte wie üblich die Arbeit: »Lupus, du übernimmst um elf Uhr die Anhörung unserer Mitternachtszeugen und schließt dich mit Presse-Mauser kurz.«
    Der Angesprochene nickte: »Der Mauserich kennt jedes Sumpfloch in Bonn.«
    »Barbara, Ahrens, Kuhnert, ihr seht alles Material durch, das uns weiterhelfen könnte; zapft die Computer an.« Freiberg zögerte, er wußte nicht so recht, wie er den »Neuen« in der Mordkommission einsetzen konnte. »Singer, ich weiß, Vertretung ist ein undankbares Geschäft. Sie müssen sich selbst schlau machen, wir haben leider kaum Zeit für Individualunterricht. Immer fragen, dann gibt’s auch Antworten. – Ich werde versuchen, im Bundeskanzleramt etwas über das Vorleben von Irmela Ellers zu erfahren. – Sonst freie Jagd. Daß mir dabei aber keiner die Junkies aufscheucht. Mein Einstieg im Dreiländereck heute abend muß so unauffällig wie möglich sein.«
    Die Kontaktaufnahme mit dem Bundeskanzleramt vollzog sich mit der in Bonn üblichen Glätte und Diskretion. Natürlich war der Leiter des Personalreferats bereit, der Polizei bei ihren Ermittlungen zu helfen, selbstverständlich auch schon in der nächsten Dreiviertelstunde – aber wenn möglich, ohne Vorfahrt eines Polizeidienstwagens .
    Freiberg nahm vom Bundesbehördenhaus die U-Strab bis zur Station Bundeshaus. In der Dahlmannstraße wurden am Gebäude des WDR mit seinen zahlreichen Studios die Fenster erneuert. Ein Spezialkran hob die mit Dreifachverglasung besonders schalldichten Segmente zu den Arbeitern auf ihren Gerüsten hinauf. Von der Rheinseite her vermittelte das Kanzleramt nicht mehr den Eindruck einer Maschinenhalle, der sich dem Betrachter an der Adenauerallee aufdrängte. Henry Moores gerundete Riesenplastik, der Koloß auf dem Rasen des Ehrenhofs, nahm der Strenge der Fassade ihre Unerbittlichkeit. Auf den Rabatten und Beeten blühten Sommerblumen.
    Der Pförtner in Zivil vergewisserte sich telefonisch, daß der Besucher angemeldet war. Ein Posten des Bundesgrenzschutzes bediente die rot-weiße Schranke und gab einem Dienstwagen mit BD-Nummer den Weg frei. Andere BGS-Männer standen mit griffbereiter Maschinenpistole im Hintergrund. Freiberg durfte ohne Begleitung den Vorplatz überqueren.
    Im Trakt eins hatte er das Gefühl, ein Pullman-Abteil des Fernschnellzuges nach Paris zu durchschreiten. Ein langer teppichbelegter Gang, Edelholzpaneele und ebensolche Türen rechts und links mit den Abständen der Zimmerlängen. Ein gelegentliches leise surrendes Rumpelgeräusch unterstrich die Stille in der Halle der Macht. Die »Geschosse« der Rohrpost verteilten Akten und Aufträge an die Beamten in ihren Dienstwagen. Von dem Lagezentrum tief unten im bombensicheren Keller hatte Freiberg schon gehört, aber er sah keine Hinweisschilder – auch nicht zum Swimmingpool für gestreßte Staatsdiener.
    Am Ende des Ganges öffnete sich eine Tür. Ministerialrat Dr. Memper begrüßte den Kommissar wie einen alten Kollegen und bat ihn einzutreten. Das Dienstzimmer war ein Behördenraum wie andere auch; Einbauschränke, Schreibtisch mit Drehsessel auf fünf Rollen, Aktenablage, Besuchersitzgruppe – nur alles etwas teurer und gediegener als in den Dienstbereichen der niederen Besoldungsgruppen.
    Die Personalakte »Irmela Ellers« lag bereit. Das Heft war sehr dünn; Karriereschritte hatten noch keine Spuren hinterlassen. Dr. Memper, ein Mann in den Fünfzigern, im grau-blauen Anzug, der seine Verantwortung hinter einem maskenhaften Gesicht verbarg, nahm die Information über den Tod der früheren Mitarbeiterin des Amtes ohne jede Regung zur Kenntnis. Er schlug die Personalakte auf und deutete mit dem Zeigefinger auf den Entwurf des Dienstleistungszeugnisses.
    »Sehen Sie hier, Herr Kommissar Freiberg, das Arbeitsverhältnis wurde im gegenseitigen Einvernehmen gelöst.«
    »Und der Grund?«
    »Lesen Sie selbst. Frau Ellers wollte studieren«, sagte der Leiter des Personalreferats, ohne einen Deut mehr preiszugeben, als in der Akte stand.
    Freiberg lächelte. »Ich meine den wirklichen Grund.«
    »Sie kennen ihn? –!« Es waren Frage und Antwort zugleich.
    Freiberg wollte sich nicht lange mit Floskeln und Höflichkeiten aufhalten. »Ich bin der Überzeugung, daß Frau Ellers rauschgiftsüchtig und damit für das Bundeskanzleramt nicht mehr

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