Schnee Im Regierungsviertel
enthalten.
Kommissar Freiberg betrachtete das Schlüsselbund. »Wir haben einen Schlüssel zuviel – und genau der sieht aus, als gehöre er zu einer Wohnung mit WMS-Schließanlage. Die werden wir finden müssen. – Auf, satteln wir die Ente. Deine Frau wird sich freuen, ihren Staatsdiener wärmen zu dürfen.«
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Walter Freibergs Suche nach einem Parkplatz in der Nähe seiner Souterrainwohnung in der Rittershausstraße war erfolgreich. Durch die zur Straßenseite vergitterten Fenster sah er im Wohnraum Licht. Doch die Hoffnung, daß seine »studentische Hilfskraft« auf ihn gewartet haben könnte, wurde enttäuscht. Für Sabine Heyden war es am vergangenen Tage bei der Vorstellung in Köln um alles oder nichts gegangen – nämlich darum, ob sie bei McDonalds weiterhin BigMac, Cola und anderes Labsal verkaufen mußte oder ob sie endlich als promovierte Historikerin die düsteren Perspektiven arbeitsloser Lehrer vergessen konnte. Sie hatte einen großen Zettel auf den Schreibtisch gelegt:
»Waldi – wau! Geschafft! Die Auswahlkommission bei der FABIDO hat zugeschlagen. (Übrigens heißt das Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentarwesen, du Schlaumeier.) Von hundertvier Bewerbern waren dreißig in der engeren Wahl für vier Referendarstellen an der Universitätsbibliothek Bonn. Eine davon gehört jetzt mir!!! ›Die Dissertation über die Jungfräuliche Königin Elisabeth I.‹ hat mächtig Eindruck gemacht, wohl auch der Studienaufenthalt in der British Library in London. – Das bedeutet noch mal zwei Jahre Ausbildung. Ich muß morgen früh ausgeschlafen in der ÜB sein und verschwinde jetzt – es ist nach Mitternacht – in mein Bett. Auch in der Beethovenstraße liebt dich deine Sabine.«
An der Seite stand noch folgendes P. S.: »Ich komme am Nachmittag vorbei. Schreib auf, was fehlt und wie wir das Ereignis feiern wollen.«
Das war die beste Nachricht der letzten vierundzwanzig Stunden. Freiberg gönnte sich einen doppelten Whisky.
Dreieinhalb Stunden Schlaf mußten genügen. Im Präsidium nahm Fräulein Kuhnert, die wohlproportionierte Bürokraft und »Kommissarin ehrenhalber«, ihren Chef mit den Worten in Empfang: »Einen Morgengruß dem Nachtarbeiter. CEBI hat die Schreckensmeldung schon ausgedruckt. Chef Kripo und Gruppenleiter erwarten Ihren Bericht.«
»Einen schönen guten Morgen – wie sieht’s aus mit dem Kaffee?«
»Fertig.«
»Bestens – den immer zuerst. Dringende Angelegenheiten können durch Zeitablauf nur noch dringender werden.« Freiberg überlegte kurz. »Hier, diese persönlichen Unterlagen unserer Toten vom Kaiser-Wilhelm-Stein soll Ahrens mal sichten. Schauen Sie auch mit rein. – Um neun Uhr die ganze Crew zu mir, und bitten Sie den Kollegen Handtke vom zweiten K. die Kommissarin Fendt für die Mordkommission abzustellen.«
Fräulein Kuhnert, unbefangen und neugierig wie immer, fragte sehr direkt: »Mord, Sexualdelikt und Rauschgift? – Schon dem Täter auf der Spur?«
Freiberg zog langsam und genüßlich den Kaffee in sich hinein und aß dazu einen Kanten Brot mit einem Stück Wurst, das er beim schnellen Aufbruch hatte greifen können.
»Noch alles offen. Dieses Mädchen lag tot auf den runden Findlingen des Denkmalsockels; ein schwer erträgliches Bild. Vielleicht ist sie an Rauschgift gestorben. Der Arzt hat Einstiche in die Armvenen festgestellt. Das ist aber auch alles, was wir wissen.«
»Und dafür hat CEBI euch aus dem Kornschuppen geholt – das ist ja die Höhe! Da hätte doch wohl ›Sex und Rausch‹ ran müssen.« Fräulein Kuhnert konnte äußerst ungehalten werden, wenn sie das Gefühl hatte, daß ihren »Mannen« zuviel zugemutet wurde.
Dann nahm sie es mit der Anrede nicht mehr so genau, mal kam du, dann Sie, mal ihr.
»Die Ergebnisse der Rechtsmedizin und Spurensicherung möchte ich so schnell wie möglich auf dem Schreibtisch haben«, sagte Freiberg beim Hinausgehen. »Das soll Lupus in die Hand nehmen.«
Kripochef Dr. Wenders und der Gruppenleiter ließen sich den Sachverhalt vortragen und zeigten sich erleichtert, daß die Tote so schnell identifiziert werden konnte. Freibergs Hinweis auf das Ergebnis der nächtlichen Suchaktion in der Wohnung am Hofgarten war allerdings eine unangenehme Überraschung.
»Studentin, bis vor zwei Monaten noch im Bundeskanzleramt?« vergewisserte sich Dr. Wenders. »Da scheint mir Vorsicht geboten. Wir wollen ja nicht gleich die Superverdachtschöpfer vom Bundeskriminalamt im Nacken haben.
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