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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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tragbar war. Fixertod oder Mord – das ist jetzt für uns die Frage.«
    Dr. Memper sah auf und sprach das entscheidende Wort noch einmal ganz langsam nach: »Mord«.
    Freiberg ließ nicht locker. »Vor drei Monaten war sie noch eine Mitarbeiterin in der Schaltzentrale der Macht. In welchem Sachgebiet hat sie gearbeitet?«
    »In der Wirtschaftsabteilung, neue Technologien, Europäische Gemeinschaftsprojekte.«
    »Zum Beispiel?«
    »Da läuft so einiges; vor allem die Programme der ESA, der European Space Agency, also Columbus, Ariane, Hermes. Alles Elemente der bemannten Raumfahrt, die wir nicht allein den Amerikanern und Russen überlassen dürfen.«
    »Und wer Heroin drückt, paßt da wohl nicht hinein?« stellte Freiberg fragend fest.
    »Der paßt nirgendwo hinein, jedenfalls nicht in die Dienststellen des Bundes. – Aber Heroin? Sind Sie sicher? Das macht doch völlig kaputt.«
    »Und kann auch zum Tode führen – wie in diesem Fall. Es war eindeutig Heroin oder Äitsch, wenn ich im Fixerjargon sprechen darf.«
    »Ich verstehe es gleichwohl nicht.« Dr. Memper schien nach Zusammenhängen zu suchen.
    »Sie könnten schon etwas mehr Vertrauen zur Kripo haben«, sagte Freiberg mit Nachdruck. »Was stört Sie an der Todesursache?«
    »Heroin! Wenn es das war. – Hier bei uns war es Kokain.«
    Der Personalreferent blätterte noch einmal die Akte durch und öffnete einen eingehefteten Briefumschlag. Dann reichte er das Zeugnis des Amtsarztes über den Tisch. »Der Grund meines Zweifelns – überzeugen Sie sich selbst. Als Frau Ellers einige Male in einem ›seltsamen‹ Zustand zum Dienst erschienen war, hat ein Mitarbeiter mit medizinischen Grundkenntnissen Verdacht geschöpft. Wir haben die Ellers dann vor die Alternative gestellt: Anzeige bei der Polizei oder ›freiwillige‹ Untersuchung durch den Amtsarzt. Sie hatte eigentlich keine Wahl. Das Ergebnis war, wie Sie sehen, eindeutig: Kokain. Daraufhin erfolgte die einvernehmliche Trennung.«
    »Jetzt bin ich es, der nach einer Erklärung sucht«, sagte Freiberg und dankte für die Hilfe.

 
    4
     
     
     
    Direktor Tschernow hatte zu einer dringenden Besprechung in das Haus der völkerverbindenden Kultur eingeladen. Die Villa aus der Gründerzeit stand in Bad Godesberg, dem von Diplomaten besetzten Ortsteil der Bundeshauptstadt. Aus dem Fenster sah man die dem heimatlichen Baustil angepaßten Gebäude der Chinesischen Botschaft. Die Gäste hatten sich aufgrund eines telefonischen Rundrufs im Puchmajer-Raum eingefunden; allerdings waren die sonst stets willkommenen kunstbeflissenen deutschen Besucher von dieser Diskussionsrunde ausgeschlossen.
    Eine Dame aus der Botschaft, ein Herr aus der Handelsvertretung sowie ein »Freischaffender« und der Chef des Kulturhauses, wie es kurz genannt wurde, mußten die Lage analysieren und die weiteren Schritte besprechen. Eile war geboten, denn das KGB hatte angefragt, ob man im Kulturhaus etwa noch stolz sei auf die neue Technik, Mitarbeiter zu gewinnen.
    Nach einer kurzen Begrüßung kam Direktor Tschernow sofort zur Sache. »Sie wissen, daß eine unserer Top-Informantinnen, die wir für unseren Nachbarn aufgebaut hatten, vor zwei Monaten das deutsche Bundeskanzleramt verlassen mußte. Jetzt habe ich die Nachricht erhalten, daß sie tot ist. Wie mir Genosse Pjotr heute morgen telefonisch mitgeteilt hat, ist sie an einer Überdosis Heroin gestorben. Das jedenfalls habe die Bonner Polizei verlauten lassen. – Unser großer Bruder ist äußerst ungehalten! Von Anbahnungen und Überstellungen dieser Art will er nichts mehr wissen. Er verzichtet auf die weitere Kooperation mit uns beim Objekt X.«
    Der Mann mit dem Rücken zum Fenster, Jan Kubitzka, ein alerter dunkelblonder Enddreißiger, Playboy und Sportflieger, wußte, daß er als Projektleiter jetzt die richtigen Worte finden mußte.
    »Gleichwohl halte ich unseren Ansatz für vielversprechend«, sagte er. »Dahinter stecken eingehende Überlegungen unserer Wissenschaftler, darunter Ärzte und Psychologen. Nach ihrer überzeugenden Auffassung schaffen wir durch die Drogen eine geradezu unlösbare Abhängigkeit vom Stoff und vom Geld: damit haben wir unsere Informanten viel stärker an der Kandare als durch Liebesbande und Ermittlungshonorare.«
    »Aber im Kanzleramt ist es danebengegangen«, stellte Tschernow fest.
    »Das ist leider nicht zu bestreiten«, räumte Kubitzka ein. »Die Frau war zu einem Risiko geworden. Doch das Problem hat sich ja gelöst. Wir müssen

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