Schnee Im Regierungsviertel
– Dann auch noch Rauschgift im Spiel, eine wirklich unangenehme Sache. Wieviel Drogentote, gibt es schon in diesem Jahr?«
Gruppenleiter I, dessen Kommissariate 2 und 3 auch für Rauschgiftkriminalität, Sexualdelikte und Wirtschaftskriminalität zuständig waren, gab die Antwort ohne Zögern: »Im ersten Halbjahr bundesweit mehr als dreihundert Tote; das dürften in diesem Jahr mehr als sechshundert werden. Es geht also wieder aufwärts in Deutschland. Im Raum Bonn haben wir auch schon fünf.«
»Es ist zum Weinen, wie sich die Junkies umbringen, und es ist zum Kotzen, daß wir die Großdealer nicht aufhängen können.« Dr. Wenders, ein sportlich-jovialer Mann mit braunem Kraushaar, dem man ansah, daß er gern lachte, war nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Er führte an langer Leine – aber das Thema Rauschgift ließ ihn explodieren. »Wenn hinter dem Tod des Mädchens Dealer aus Bonn stecken, dann haut sie zusammen, daß sich hier keiner von ihnen jemals wieder blicken läßt. Eine Rauschgift-Maffia in der Bundeshauptstadt – das hätte uns gerade noch gefehlt; wo wir doch mit den Großen der Welt schon so Bedeutendes erleben.«
»Noch ist die Todesursache nicht festgestellt«, versuchte Freiberg die Emotion zu dämpfen.
»Nun gut – keine voreiligen Schlüsse. Ich weiß ja, daß ich mich auf meine Pastorenkinder verlassen kann.«
In Zimmer 306 mit dem Blick zu den grünen Hängen des Siebengebirges diskutierten die Mitarbeiter der Mordkommission den neuen Fall. Lupus hatte über die nächtlichen Aktionen berichtet und sah dem Kommissar erwartungsvoll entgegen. Freiberg deutete einen Gruß an und setzte sich an die Stirnseite des Tisches.
»Die Chefs lassen uns arbeiten«, stellte er lapidar fest. »Rauschgift in Bonn hätten sie allerdings nicht so gern.«
»Sie werden sich an schlechte Nachrichten gewöhnen müssen«, sagte Lupus und berichtete über das Telefongespräch mit der Rechtsmedizin. »Irmela Ellers ist an einer Überdosis Heroin in Verbindung mit Verunreinigungen durch Strychnin gestorben. Mehr…«
Es klopfte an der Tür zum Vorzimmer. Fräulein Kuhnert bat die Kommissarin vom 2. K. einzutreten. Barbara Fendt konnte sich sehen lassen. Sie war mittelgroß, schlank, mit braunen Augen und schwarzem Haar. Sie benutzte nur wenig Make-up, und doch gelang es ihr nicht, wie eine Bewährungshelferin auszusehen. Mit Jeans und Lederweste versuchte sie, sich den Typen der Drogenszene anzupassen.
Freiberg stand auf und begrüßte die Kollegin. »Du kommst zum richtigen Zeitpunkt, und wir werden dich festhalten, bis unser Fall gelöst ist.«
»Endlich mal Rausch und Sex in der Mordkommission«, strahlte Lupus. »Das wird die wahre Freude sein.«
»Mit mir nicht«, konterte die Kommissarin. »Ich kann auf Animateure verzichten.«
»Aber wir brauchen dich wirklich«, sagte Freiberg und schob ihr einen Stuhl zu. »Der Tod von Irmela Ellers letzte Nacht ist durch eine Überdosis Heroin, verunreinigt durch Strychnin, eingetreten.«
Der blonde Ahrens schüttelte sich. »Rattengift – entsetzlich. Wenn das kein Mord ist!«
»Vorsicht mit den schnellen Folgerungen«, stoppte die Kommissarin die Feststellung. »Der Stoff wird von den Junkies zumeist mit zwanzig bis dreißig Prozent Äitschanteil verwendet. Der Rest: Streckmittel, zum Beispiel Milkpowder, verschiedene Zucker. Manchmal ist auch Strychninpulver drin, das allerdings von einer bestimmten Konzentration an die Himmelfahrt beschleunigt.«
»Und wo gibt’s Äitsch in Bonn?« fragte Lupus. Dabei quetschte er das Äitsch für ›H‹ durch die Zähne, als habe er in eine Zitrone gebissen.
»Bei mir«, antwortete die Kommissarin und zog eine kleine durchsichtige Plastiktüte aus der Tasche. »Ein Pröbchen für die Freunde vom 1. K. Ich weiß allerdings nicht, ob Strychnin drin ist. Möcht’s jemand versuchen? Über einer Kerze im Löffel mit Ascorbinsäure und Wasser aufkochen, durch Watte oder Zigarettenpapier abfiltern – fertig ist die Suppe für die Spritze!«
Das Muster lief um den Tisch und wurde von allen Seiten begutachtet.
»Das ist ein ›Fuffipack‹, stellte Barbara fest. Einige in der Runde sahen sie verständnislos an.«
»Ein ›Hit‹, die normale Dosis für einen Trip! – Ein Zehntel Gramm intravenös machen ein paar Stunden high. Kostenpunkt fünfzig Deutsche Mark«, erläuterte die Kommissarin. »Wenn ihr in der Kleinszene kaufen wollt, müßt ihr schon die richtigen Begriffe verwenden. Dann gibt es den
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