Schneeballflirt und Weihnachtszauber
Falls die Zwillinge – «
Melli schob mich aus dem Zimmer. »Nun mach schon!«
Popeye machte wuff, als ich aus der Tür schlüpfte, aber davon abgesehen sah mich niemand. Ich rannte, wie ich noch nie im Leben gerannt war, sprang gerade noch in die Bahn, als sich die Türen schlossen, war 20 Minuten später in der Stadt und fragte mich zum Nikolausweg durch, der glücklicherweise nahe der Stadtmitte und sehr kurz war. Unter der Klingel des siebten Hauses befand sich ein Schildchen: Sandra und Florian Fischer. Vorsichtshalber wollte ich die Namen und die Straße mit der Adresse auf dem Post-it-Zettel vergleichen, aber so sehr ich auch meine Taschen durchsuchte – er war verschwunden. Wahrscheinlich, überlegte ich, war er mir beim Rennen abhanden gekommen.
Ich lächelte voller Vorfreude , legte den Finger auf den Knopf – da verließ mich der Mut.
Er verabschiedete sich so total und komplett, dass meine Beine zu zittern begannen und ich die Hand sinken ließ. Katinka, dachte ich, was hast du vor? Willst du dich wirklich einem hirnlosen Jungen an den Hals werfen, der nicht kapiert, dass du ihn liebst? Aber ich würde mich ihm ja nicht an den Hals werfen; alles was ich wollte, war Mellis Geld.
Würde Flori mir glauben? Würde er nicht annehmen, das sei nur ein Vorwand, um mich ihm … ja was denn nun? … an besagten Hals zu werfen? Was für ein Schlamassel! Katinka, sagte ich mir, du warst wieder mal zu vorschnell. Du bist losgefahren ohne nachzudenken. Und jetzt stehst du da, und in wenigen Sekunden blamierst du dich bis auf die Knochen. Mach die Fliege, Katinka! Überleg dir etwas Kluges und denk daran – morgen ist auch noch ein Tag!
Ich starrte auf die Haustüre. Sie war rot gestrichen. Knallrot. Signalrot. Von der Lampe, die über der Klingel hing, baumelte ein schöner Mistelzweig mit einer riesigen roten Schleife. Hübsch sah das aus.
Die Haustüre … die Türe jedenfalls war der Eingang zu meinem Glück. Oder auch zu meinem lebenslangen Unglück. Ich hatte es in der Hand.
Noch nie war ich so unschlüssig gewesen. Verdammt, warum hatte ich nicht Melli losgeschickt? Sie wollte das Geld, nicht ich. Oder – warum hatte ich nicht an Opa Menno gedacht? Hatte er nicht gesagt, er würde alles für seine Enkelin tun? Hier hätte er die Gelegenheit gehabt, sein Versprechen wahr zu machen. Aber nein, ich musste ja wie eine total bescheuerte Vollidiotin selbst los – und das hatte ich nun davon: wacklige Knie, kalte Füße. Und jede Menge Schiss. Selbst schuld, Katinka.
Ich lehnte am Gartenzaun und knabberte am Daumennagel. Verdammt, warum kam Flori nicht heraus? Wenn er auch nur einen Funken Gefühl hätte, würde er spüren , dass ich in seiner Nähe war und auf ihn wartete.
Aber der Typ hatte wohl echt nichts für mich übrig; dass er da war, da sein musste, zeigten die Lichter im Haus: eines leuchtete im Erdgeschoss, eines im ersten Stock.
Meine Augen brannten, so starrte ich aufs Haus. Irgendwann wurde mir dann doch klar, dass ich die Wahl zwischen Erfrieren oder Blamieren hatte. Weil ich schon mal da war, entschied ich mich fürs Blamieren und drückte auf die Klingel.
Jemand polterte eine Treppe herunter.
Eine Stimme sagte: »Mach auf, Flori!«
»Gehst du schon, Ma?«, antwortete jemand, der sich anhörte wie Flori.
Und dann … dann stand ich ihm gegenüber. Er hielt einen angebissenen Apfel in der Hand. Als er mich sah, verschluckte er sich. Er hustete.
Mein Mund war trocken wie der Sand in der Wüste. Mein Hirn war total abgestürzt.
Eine Hand legte sich auf Floris Schulter, er wurde weggeschubst. »Was ist? Oh … Ich hab jemand anderen erwartet.« Sandra Fischer, enge Jeans, hohe schwarze Stiefel, langer weiter grasgrüner Pulli, halblange Haare, sagte energisch: »Es zieht. Komm rein, damit Flori die Tür schließen kann.« Sie runzelte die Stirn. »Ich hab dich schon mal gesehen. Wo war das nur?«
»I … im Starbucks.«
»Richtig! Deine Freundin hat einen Hocker für mich organisiert!«
»Es war ihre Cousine«, sagte Flori leise.
»Ja. Es war meine Cousine«, bestätigte ich noch leiser.
Sandra Fischer schob Flori und mich den Flur entlang in einen Raum, der das Wohnzimmer sein musste. »Ich muss gleich los«, sagte sie. »Flori – « Die Klingel schrillte durchs Haus. »Tschüss dann«, sagte sie rasch. Sie griff nach dem Mantel, der auf dem Sofa lag. Kurz darauf schnappte die Tür ins Schloss, ein Auto fuhr an, entfernte sich … dann hörte ich nur noch, wie mein Herz
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