Schneebraut
eine Tasse Kaffee, eine Tasse Tee mit Schmalzgebäck nach einem anstrengenden Tag vorbeischauen.
Es war nicht seine Schuld. Sie hatte ihn geküsst.
Sie
hatte
ihn
geküsst. Er hatte nicht einmal die Gelegenheit, sich eine eigene Meinung dazu zu bilden.
Kristín würde mit Sicherheit ausflippen, wenn sie dahinterkäme.
Ugla hatte ihm eine SMS geschickt, als er auf dem Weg von der Wache nach Hause war, hatte nach Neuigkeiten über Linda gefragt. Er hatte sie angerufen, und sie hatte ihn zum Kaffee eingeladen.
Nein, ich meine Tee
, korrigierte sie sich selbst und lachte gutmütig. Seine Schulter schmerzte, so dass sie sich anbot, sie ihm zu massieren. Hätte er das nicht annehmen sollen? Hätte er die Einladung zu ihr nach Hause nicht annehmen sollen?
Sie küsste ihn. Er küsste nicht zurück; stand auf, eine ungeschickte Reaktion. Er erwähnte aber nichts von Kristín, behauptete einfach, gehen zu müssen. Ugla hatte ihn nur verwundert angeschaut, ein wenig enttäuscht. Sagte kein Wort.
Er wurde auf dem ganzen Weg nach Hause vom schlechten Gewissen geplagt. Das schlechte Gewissen wegen des Kusses, das schlechte Gewissen, mit Ugla über die Fälle Linda und Hrólfur gesprochen zu haben, obwohl sie genaugenommen selbst in den letztgenannten Fall verwickelt war; wenn es sich denn tatsächlich um ein Verbrechen handeln sollte. Da war er sich nicht ganz sicher. Sie dagegen war sehr hilfreich gewesen, hatte ihm vom Streit zwischen Úlfur und Hrólfur erzählt, und bei dieser Gelegenheit hatte sie ihn darauf hingewiesen, dass es eine gute Idee sein könnte, die alte Sandra im Altersheim zu besuchen; die Alte war schon über neunzig, bei bester Gesundheit – den Umständen entsprechend – und hatte Hrólfur länger als alle anderen gekannt. Er hatte sie anscheinend jede Woche besucht.
Ari versuchte sich einzureden, dass er aufgrund der Hinweise von Ugla mit dieser unbekannten Frau über den Fall sprechen musste. Diese Argumente zählten aber nicht, was den Kuss betraf.
Er legte sich schlafen, nicht sicher, ob er von Kristín oder Ugla träumen würde.
27. Kapitel
Siglufjörður,
Donnerstag, 15 . Januar 2009
Er war im Schwimmbad und tauchte. Heißes Wasser umgab seinen Körper; er hatte noch ein bisschen Luft übrig, für einige Züge würde es noch reichen. Noch zwei. Noch einen. Er musste atmen, Luft in die Lungen lassen – an die Oberfläche gelangen. Er schwamm hinauf, höher und höher, bis sein Kopf aus dem Wasser aufragte – es lag überall Schnee, die Schneeflocken dicht und dick, schlugen ihn und peitschten ihm ins Gesicht, sie füllten alles aus, nahmen den ganzen Sauerstoff weg, er fand nirgends einen Unterschlupf – nirgends einen Ort, um Luft zu holen. Musste noch einmal nach unten tauchen. Noch einmal; in das Schwimmbecken hinab, in seinen Lungen war keine Luft mehr. Ein Wasserstrudel. Noch einmal raus, immer noch Schnee – kein Sauerstoff. Er schreckte auf; hatte das Gefühl, als könne er im Bett keine Luft mehr holen, sah nichts vor dem Fenster – Schnee bedeckte die Scheiben. Und dann, endlich – ein wenig Sauerstoff. Das verlangsamte den Herzschlag, er atmete ruhiger.
Es hatte nachts ziemlich heftig geschneit. Ari hatte verschlafen, es war bereits halb zehn; er verzichtete auf das Frühstück, um so schnell wie möglich auf die Wache zu kommen.
Tómas und Hlynur waren bereits da. Tómas berichtete, er habe die ganze Nacht auf Kalli aufgepasst und sei nicht nach Hause gefahren. »Das ist ja ein Ding, der Pfarrer lässt sich blicken«, sagte Hlynur und lächelte. Tómas war offensichtlich nicht aufgelegt für dumme Sprüche, auch wenn sie auf Kosten des Neulings gingen.
»Wir müssen ihn bald gehen lassen; er kann ihr nichts mehr anhaben – sie ist im Süden angekommen. Die Maschine ist heute Nacht geflogen. Ihr Zustand ist unverändert. Es ist gänzlich unverständlich; alles deutet darauf hin, dass er ihr Gewalt angetan und sie bedroht hat, aber er hat Zeugen, die bestätigen, dass er sie zur Tatzeit ganz einfach nicht attackiert haben kann. Außer, er wäre an zwei Orten gleichzeitig aufgetaucht«, sagte Tómas. Er lehnte sich im Stuhl zurück, was gefährlich aussah, und wiederholte: »Wir müssen ihn heute freilassen.« Es war offensichtlich, dass ihm das überhaupt nicht in den Kram passte. »Ich habe ihn darum gebeten, im Dorf zu bleiben, habe ihm auch gesagt, dass er sonst in Untersuchungshaft käme. Er hat akzeptiert, ein paar Tage hier zu bleiben, aber wenn Lindas Zustand sich
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