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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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gesehen.« Sie lächelte listig, verspürte aber dennoch eine leise Angst – hoffentlich würde niemand zwei und zwei zusammenzählen. Diesen Gedanken konnte sie nicht zu Ende denken.
    ***
    Úlfur ging ins Kino. Es war sonst noch niemand da.
    Der Kinosaal war wahrscheinlich der einzige Ort im Dorf, an dem es ihm gelang, das Unwetter gänzlich hinter sich zu lassen und in eine Traumwelt einzutauchen – in das Trugbild, dass nichts geschehen sei; in eine Welt, in der den Leiter des Theatervereins nicht kurz zuvor der Tod geholt hatte, in eine Welt, in der die Frau des Hauptdarstellers nicht in ihrem eigenen Blut liegend gefunden worden war, halb nackt im Schnee, dem Tod näher als dem Leben.
    Sein Blick schwebte über den Saal.
    Auf einmal fühlte er sich wie ein alter Mann. Ein alter, einsamer Mann. Er vermisste seine Arbeit, seine frühere Frau, seine Mutter. Nun stand es ihm vielleicht tatsächlich noch bevor, die Geschicke des Theatervereins im Dorf zu lenken. Doch plötzlich schien das alles nur noch eine geringe Rolle zu spielen.
    ***
    »Verdammt! Verdammt!«, fluchte Tómas verärgert. Er stellte die Tasse energisch auf den Tisch, als er vor dem Rechner stand und die neuesten Nachrichten über die Untersuchungen im Todesfall beim Theaterverein las.
    Ari hatte dankbar das Angebot angenommen, im Polizeiwagen auf die Wache mitzufahren, weswegen er immer noch im Anzug war. Er hatte keine Lust, allein zu Hause zu sitzen, auch wenn er nicht im Dienst war. Es war besser, bei diesem Wetter gute Gesellschaft um sich zu haben. Er saß zusammen mit Hlynur drinnen in der Kaffeestube und erschrak, als Tómas seiner Wut Luft machte.
    »Verdammt!«, zeterte er zum dritten Mal. Ari stand auf. Hlynur blieb wie festgeschraubt sitzen.
    »Was ist denn los?«, fragte Ari, der es kaum wagte, den Mund zu öffnen.
    »Wie haben sie davon Wind bekommen – wie zum Teufel nochmal haben sie davon Wind bekommen? Schau dir das an.«
    Ari las die Schlagzeile.
     
    Hat ein mysteriöses Geheimnis Hrólfur Kristjánsson das Leben gekostet?
     
    Es wurde kurz erläutert, dass die Polizei jetzt vermutete, dass Hrólfur Wind von irgendeinem Geheimnis bekommen hatte, kurz bevor er starb. Das würde die Nerven der Dorfbewohner nicht gerade beruhigen. Der Journalist schien über eine sichere Quelle zu verfügen, so viel war klar.
    »Habt ihr jemandem davon erzählt?«
    Ari schüttelte den Kopf. Hlynur murmelte etwas.
    »Was?«
    »Nein, niemandem«, sagte Hlynur.
    »Ich habe Nína allerdings vorher indirekt danach gefragt, aber ich glaube kaum, dass sie direkt einen Journalisten angerufen hat.«
    »Das weiß man nie. Verdammtes Chaos.«
    Tómas las die Nachricht erneut durch.
    »Das ist derselbe Journalist wie letztes Mal, der mit den Nachrichten über Linda. Ich sollte ihn anrufen und ihn in die Schranken weisen! Wir sollten diese Untersuchung beenden – und zwar so schnell wie möglich. Dann können wir eine Meldung herausgeben, dass sie abgeschlossen ist, und dass es einfach ein Unfall war. Hast du mit allen geredet, die an diesem Abend auf der Probe waren, Ari?«
    Er dachte nach – falls es zählte, dass er Úlfur im Hot Pot verhört und privat mit Ugla geredet hatte, dann blieb nur noch eine Person übrig.
    »Mit allen außer Anna, der Schauspielerin.«
    »Ja, die Anna von Einar – Einar und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Ein feiner Kerl. Ein Autofreak, genau wie du.« Ari war es einmal herausgerutscht, dass er Interesse an Autos habe, und nun wurde er mit diesem Hobby gleichgestellt, genauso wie mit der Theologie. Ari – Pfarrer und Autofreak. Konnte er nicht einfach Ari sein?
    »Du solltest bei Gelegenheit unbedingt mal seinen alten Geländewagen sehen, wirklich flott – und zudem immer noch mit einer alten Autonummer versehen, man sieht heutzutage nur noch wenige Autos mit den alten Nummernschildern. Er hatte ihn damals gerade von Kalli gekauft, als Kalli nach Dänemark zog, der ihn selbst gerade erst neu erstanden hatte – er bereut den Verlust dieses Vehikels wahrscheinlich schwer.«
    Gab es irgendeine Möglichkeit, der Sache noch auf den Grund zu kommen, wenn sich alle im Dorf so gut zu kennen schienen? Alte Schulkameraden, Arbeitskollegen, Freunde und Verwandte – alle mit unzähligen Fäden miteinander verbunden und verstrickt.
    »Dann rufe ich also Anna mal an – werde versuchen, sie nachher zu treffen«, sagte Ari.
    ***
    »The show must go on.«
    Anna saß ganz hinten im Kinosaal und beobachtete Úlfur, der mitten auf

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