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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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seinen Ermittlungen auf eine falsche Fährte gelockt? Eines war zumindest klar, dass wenn jemand im Dorf aus Hrólfurs Tod einen materiellen Profit ziehen konnte, dann war sie es.
    Dennoch konnte er nicht anders, als mit viel Zärtlichkeit an sie zu denken. Er musste sie wiedersehen, trotz allem. Wie um alles in der Welt konnte er sich daraus herauswinden? Er musste selbstverständlich den Ermittlungen die Priorität einräumen. Konnte seinen Job nicht für ein kurzes Vergnügen aufs Spiel setzen. Oder war da vielleicht mehr?
    Sollte er es Tómas erzählen … zugeben, dass er mit ihr mehr Informationen ausgetauscht hatte, als es sonst üblich war?
    In was für eine Situation habe ich mich da eigentlich hineinmanövriert?
    Er hatte sich damals dieselbe Frage gestellt, als Tómas ihm eröffnet hatte, wie wenig doch in Siglufjörður passierte, doch nun standen die Zeichen anders. Zu viele Probleme – und er hatte sich auf eine viel zu persönliche Art in die Untersuchungen verstrickt. Er hatte Lust, die Berge anzuschreien, die ihn so sehr bedrängten, doch nun konnte man im Schneesturm Blindekuh spielen, die Berge waren unsichtbar – genau richtig, um sich zu verstecken.
    In was für eine verdammte Situation habe ich mich da eigentlich hineinmanövriert?

34. Kapitel
    Siglufjörður,
    Montag, 19 . Januar 2009
    Sie saß allein in der Dunkelheit. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal.
    Keine Probe heute – sie blieb lieber zu Hause, als alleine im Kino zu sein. Es war ohnehin unwahrscheinlich, ihn vor der nächsten Probe dort anzutreffen, zudem war es schwierig, mit den Krücken im Schnee vorwärts zu kommen. Verflixtes Unglück, sich das Bein zu brechen.
    Sie fühlte sich in der Dunkelheit wohl, da wurde sie von niemandem gesehen, und auch sie sah niemanden. Sie war in den letzten Tagen komplett verwirrt gewesen. Es war ihr einiges misslungen – und sie konnte keinen dafür verantwortlich machen, außer sich selbst. Verdammtes Missgeschick. Aber sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, vielleicht würde es nicht ans Licht kommen – vielleicht würde sie nicht dafür verantwortlich gemacht werden, obwohl sie ihr Vorhaben nicht hatte durchführen können. Sie hatte ihr Bestes getan.
    Sie zählte die Tage, die Minuten – die Zeit wurde immer kürzer, bis sie ihn treffen würde. Eines Tages würde sie ihren ganzen Mut zusammennehmen und etwas sagen. Sie hatte sich immer vor seiner Reaktion gefürchtet, vor seiner Zurückweisung. Wenn man so wollte, fürchtete sie vielleicht nur seine Nähe, es hatte ihr schon immer Mühe bereitet, über ihre Gefühle zu sprechen. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ihre Mutter damals etwas unternommen hätte, etwas anderes, als sie nach Reykjavík zu schicken. Das war eine äußerst einfache und billige Lösung gewesen.
    Aber jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis sie es von sich geben würde. Nun verband sie ein Geheimnis. Es war schwierig, demjenigen ein Nein zu sagen, mit dem man ein Geheimnis teilte, nicht zuletzt, wenn es sich bei dem Geheimnis um Mord handelte.
    ***
    Er konnte sich nicht vorstellen, mit Ugla zu reden. Nicht sofort. Und doch konnte er nicht aufhören, an sie zu denken.
    Þorsteinn hatte damit gewartet, die Erben über das Testament aufzuklären, hatte aber geplant, sie später am selben Tag zu kontaktieren.
    Er fragte sich ohne Unterlass, ob Ugla über das zu erwartende Erbe Bescheid gewusst hatte. Konnte er in diesem Dorf überhaupt jemandem vertrauen?
    Tómas hatte ihn gebeten, die Sache zu verfolgen; bei den Erben nachzufragen, nachzuhaken.
    Pálmi machte einen müden Eindruck, als er zur Türe hereinkam. Er schien nicht besonders verwundert zu sein, Ari zu sehen.
    Er hörte Stimmengemurmel aus der Küche, die alte Dame aus Dänemark unterhielt sich offensichtlich mit ihrem Sohn.
    »Du möchtest wahrscheinlich über das Erbe reden«, sagte Pálmi ohne Einleitung. »Þorsteinn hat mich angerufen.«
    »Ja, wenn du Zeit hast.« Ari versetzte sich im Nu in die Rolle eines Pfarrers, höflich, warmherzig. Das war aber nur eine Rolle, nur ein Spiel.
    Sie setzten sich ins Wohnzimmer.
    »Hast du etwas davon gewusst?«, fragte Ari.
    »Von dem Erbe? Nein, damit hätte ich nie gerechnet.« Es lag aber irgendwie etwas Unruhiges in seinem Blick, etwas, das schwierig zu definieren war.
    »Hat er das nie durchblicken lassen?« Ari gab noch nicht auf.
    »Nein, nie.« Wieder dieser gleiche Gesichtsausdruck. »So wie ich Þorsteinn verstanden habe, ist

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