Schneeflockenbaum (epub)
dieser Lorna, und dann ... Das muss um jeden Preis verhindert werden. Jouri hat nun ein Alter erreicht, in dem Männer, diese Idioten, mit so jungen Dingern durchbrennen und eine zweite Familie gründen. Ich beobachte das überall, und ich darf gar nicht daran denken, dass ich plötzlich allein dastehen könnte. Dann wäre ich eine geschiedene Frau und müsste mit ein bisschen Unterhalt über die Runden kommen. Mein Gott, wäre das schrecklich. Tu mir das bitte nicht an.«
»Ich habe gar nicht vor, dir das anzutun.«
»Mach dann um Himmels willen bloß Schluss. Trenn dich von Lorna. Beende diese Affäre. Ich beschwöre dich: Gib ihr den Laufpass!«
»Du glaubst doch nicht, dass ich, nur weil du es mir befiehlst ...
»Wenn du die Sache nicht beendest, erzähl ich deiner alten Mutter davon.«
»Bist du vollkommen übergeschnappt? Meiner Mutter? Warum in Gottes Namen?«
»Männer erhalten ihren Müttern gegenüber gern den Schein aufrecht, dass sie ein tugendhaftes Leben führen. Selbst Verbrecher mögen es nicht, wenn ihre alten Mütter erfahren, was sie so alles ausgefressen haben. In Italien kann man sogar die Mafiabosse mithilfe ihrer Mütter unter Druck setzen.«
»Ja, gut, in Italien, da ist la Mamma eine Macht, aber ...
»Ich bin davon überzeugt, dass es dir unangenehm wäre, wenn deine Mutter erführe, dass du mit einer Studentin rummachst.«
»Du kennst meine Mutter gar nicht.«
»Meinst du?«
Ich sah sie an, sie sah mich an, und ich fragte mich: Kann es sein, dass sie meiner Mutter irgendwann begegnet ist? Ich versuchte mich zu erinnern.
Sie wartete jedoch nicht, bis ich meine Überlegungen beendet hatte, und sagte: »Mein lieber Freund, hör auf mich, du spielst mit dem Feuer. Jouri ist ... Jouri macht sich Sorgen ... er wird älter ... er kriegt ihn nicht mehr so gut hoch ... ich wette, damit hast du keine Probleme. Jouri wird denken: Ein junges, frisches Mädchen, ja, da wird mein altes Feuer bestimmt wieder auflodern ... garantiert, wenn du ihn auf diese Idee bringst ... Bitte, trenn dich von Lorna. Ich kann gut verstehen, dass du zu Hause nicht auf deine Kosten kommst, deine Frau, die rackert sich in der Musikschule ab und schläft natürlich nachts wie ein Stein, von der hast du nichts, und dann ein Kerl wie du, ein Stück Granit ... Dass ich das damals nicht gesehen habe ... aber du warst so kindlich, so rührend, ach, ach, wie unerfahren du damals noch warst, so unerforscht, und zugleich ein so schrecklich lieber Junge ... ganz anders als diese Protzkerle, auf die ich damals stand ... Das Komische ist, dass ich mich – auch wenn ich mir dessen nicht bewusst war, als ich die Komödie spielte und so tat, als wäre ich in dich verliebt – tatsächlich wahnsinnig verliebt habe in dich, und daran hat sich auch nie etwas geändert, ebenso wenig wie bei dir. Aber ich wollte ja den charmanten und zuvorkommenden Jouri. Woher sollte ich wissen, dass du dich als scharfer Kuschelbär entpuppen würdest und Jouri als ein ausgebrannter, ausgetrockneter, ständig rechnender Professor, der nur dann einen hochkriegt, wenn er über Primzahlen grübelt. Aber wenn du unbedingt mit jemand anderem als deiner Frau Pflanzen bestimmen willst ... Schneeflockenbaum klingt doch viel freundlicher als Natternzunge. Weißt du übrigens, zu welcher Pflanzenfamilie er gehört ...?«
»Keine Ahnung, aber wenn wir näher rangehen, kann ich es dir in null Komma nichts sagen.«
»Näher rangehen? Kannst du das nicht von hier aus sehen? Hast du denn so wenig Ahnung von Pflanzen? Ach, mein Lieber, du musst noch so viel lernen. Der Schneeflockenbaum gehört zu den Ölbaumgewächsen, genau wie der Flieder und der Liguster ... Mit mir kannst du auch nach Herzenslust bestimmen ... ich kann dich mit allen Ziersträuchern, mit Frühlingsblühern, Sommeradonisröschen, Herbstzeitlosen, Winterlingen bekannt machen, komm, lass uns sofort damit anfangen, im Schlafzimmer habe ich, abgesehen von einer Schlumbergera in einem Hängekorb, auch eine überaus schöne Mammillaria . Oh, ich kann an deinem Blick sehen, dass du nicht einmal weißt, um was es sich handelt. Das sind Kakteen, Herr Biologe, und diese Kakteen habe ich so behandelt, wie man laut Joan Collins Männer behandeln muss: ›Treat them mean, to keep them keen.‹ Und wie die blühen ...
Ganz unerwartet sank sie plötzlich auf mich nieder, sie begrub mich regelrecht unter sich, legte ihre Hände auf meine Wangen, so wie sie es seinerzeit im Garten an der
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